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Ausgehen und rumstehen von Ruth Lang FuentesAlles Kreuzberg, wenn du tanzt

Es fängt natürlich an zu nieseln und ist schon längst dunkel, als ich dich an der U-Bahn-Station Platz der Luftbrücke abhole. Hier ist es wenigstens warm. Ein Typ lehnt an der gefliesten Wand, ist über seiner Gitarre eingenickt, vor ihm ein Becher, darin höchstens ein Euro. Eine Schar Gen Z’ler kommt mir entgegen, bevor ich dich finde. Sie laufen alle in dieselbe Richtung: zur Columbiahalle. Da spielt nämlich gleich Von Wegen Lisbeth – das letzte Konzert ihrer Tour. Und dann noch in Berlin, Heimspiel sozusagen. „Gut, dass wir noch Karten ergattert haben. Gute Ausrede, um heute nicht auf die Betriebsweihnachtsfeier gehen zu müssen“, flüsterst du mir ins Ohr, als würde jemand aus dem Betrieb das jetzt hören können.

In der Halle ist noch wenig los. Wir holen uns Laugenstangen und was zu trinken und beobachten die gelangweilten Securitys und die braven Konzertbesucher. Die meisten sitzen in Grüppchen auf dem Boden, unterhalten sich sehr gesittet, schauen aufs Handy, warten. „Das hat was von Kirchenfreizeit“, sagst du, und ich finde, ganz unrecht hast du nicht. Ein paar Eltern mit ihren Kindern sind auch da, ansonsten sieht man viel Secondhand-Klamotten, ein paar Oberlippenbärte und hat etwas das Gefühl – wären da nicht die Smartphones –, es seien die neunziger, oder doch die achtziger Jahre?

Tropikel Ltd. betritt die Bühne; ein Hipster-Trio mit hartem Bassbeat und Vocoder-Stimmen. Die zwei Sänger stolpern fast über die Mikrokabel, während sie über die Bühne springen. Aerobic statt tanzen. Der Crowd scheint es zu gefallen. Und ich denke mir, dass das dann doch eher Achtziger-Vibes sind mit einem Touch Hotelanimation. Und dass ich mich nicht entscheiden kann, ob das jetzt alles ironisch und voll selbstkritisch oder einfach nur cringe ist. „Achtung, fragile/ Für mein Herz ist das alles hier kein Spiel/ Deine Liebe ist gefährlich wie ein Projektil.“ Neoschlagerrap, lese ich später, sei das. „Es kann nur besser werden“, sagst du, als die Vorband fertig ist und wir wieder am Warten sind. Der Bühnenlook muss umgebaut werden: von Lametta zu Nintendo-Optik. Jetzt sind es doch die Neunziger.

Und dann sind sie auch endlich da: Von Wegen Lisbeth.

Sie starten direkt mit viel Show und dem neueren Song „EZ Aquarii“. Dazu Stroboskoplicht, Zerrsounds, Glockenspiel, die Musiker sind auf verschiedenen Ebenen der Bühne angeordnet, springen aber auf den Ebenen hin und her. Es herrscht fast schon zu viel Traffic auf der Bühne; Gitarren werden gestimmt, Dinge während eines Songs abgebaut, ein Klatschen aufgenommen, weswegen das Publikum kurz gebeten wird, ganz leise zu sein. „Wenn du tanzt“ spielen sie viel zu früh, das Publikum scheint noch nicht ganz warm zu sein. Erst zum Ende hin geht’s dann doch richtig ab. „Elon Musk kommt nicht ins Berghain/ Ach, Elon, Elon, nein, nein, nein“, grölt die Menge. Und: „Bitch, ich bin für dich/ Den ganzen Weg gerannt/ Den ganzen Weg alleine/ Alleine bis zu dir“. Und das obwohl Frontsänger Matze Rohde gerade gemeint hat, dass die Band das diskriminierende und titelgebende Wort in ihrem Song nicht mehr laut mitsingen werde. Und dass man gern stattdessen Schuft oder so sagen könne. Ist den Fans egal. Das Lied heißt „Bitch“, und das grölen sie auch, und das macht sie sehr sympathisch. VWL hatte ein besonders langes Konzert angekündigt. Nach etwas mehr als anderthalb Stunden ist es dann doch vorbei.

Draußen hat es tatsächlich geschneit. Vor der Columbiahalle verkauft jemand Glühwein. Ziemlich durchgefroren und lost laufen wir durch den geleckten Bergmannkiez. Eine verrauchte Kreuzberger Kneipe nimmt uns schließlich auf. Bietet uns Bier und Wärme.

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