: Höllischer Schnuppertag
Das Akkordeon, man kann es nicht oft genug sagen, ist das uncoolste Instrument der Welt. In der Welt des harmonischen Tons ist das Akkordeon so etwas wie das Ornithorhynchus anatinus in der Fauna, jenes anachronistische eierlegende Säugetier mit dem dicken Schnabel. Es mag ja ein Universum geben, wo dieses Wesen nicht deplatziert wirkt, dieses aber ist es nicht.
Nun habe ich als Kind und Jugendlicher das Schnabeltier, Verzeihung, das Akkordeon spielen gelernt. Meine Abneigung ist also eine durchaus informierte. Über Jahre haben Unzählige versucht, mich davon zu überzeugen, dass das Akkordeon durchaus einen messbaren Coolnessfaktor hätte. Als wenn die Marter meiner Adoleszenz nicht genug gewesen wäre, muss ich mir auch im Erwachsenenalter ständig das Pfeifen des Diskants und das Brummen der Bässe irgendwelcher Tangobarden und Skataliten anhören. Vorläufiger Höhepunkt der Pein ist meine nun schon einige Jahre andauernde Bekanntschaft mit Eläkeläiset, eine der finnischen Spaßpolka (oder Humppa) verpflichteten Combo, die sich seit bald 20 Jahren mit Coverversionen international bekannter Pop- und Rocksongs durch das ironisch aufgeladene ideelle Gesamtbierzelt der grölenden Halbintelligenzia spielt.
Das Problem ist dabei weniger, dass sie das Akkordeon auf besondere Weise quälten, im Gegenteil: Das Perfide an Eläkeläiset ist der Spaß, den sie bereiten. Wer sie das erste Mal hört, muss unweigerlich lachen. Es folgt zwangsläufig der Versuch zu erkunden, welche Originalversion da gerade mit finnischen Nonsenstexten und der Wald- und Wieseninstrumentierung massakriert wird. Und eh man sich’s versieht, sitzt man bereits die dritte Stunde da, rät fröhlich Lieder, hat den einen oder anderen Humpen Bier (daher auch Humppa) verzehrt, und schunkelt zum rhythmischen popkulturellen Gemetzel. Dann setzt der eigentliche Wahnsinn erst ein. Denn irgendwo findet sich immer ein Fan, der auch noch das 94er Album „Humppakäräjät“ dabeihat und unbedingt Humppanirvana vorspielen möchte.
Die endlose Repetition ist es, was auch die Hartgesottensten zur Strecke bringen muss. Und eine Welt, die unschuldigen Kindern das Akkordeon wie einen Mühlstein um den Hals hängt, muss eine Hölle haben, in der Humppa das balgbetriebene Höhnen des Leibhaftigen ist. Im achten Höllenkreis sitzen verschlagen lächelnd die Heuchler und präsentieren „Humpan kuninkaan hovissa“, „weil das coole Akkordeonelemente enthalte“. Obwohl, das ist eventuell besser, als die Orginale hören zu müssen. Die sympathische Vorhölle mit Eläkeläiset und Humppa hat ihren Schnuppertag morgen, 20 Uhr, im Astra. DANIÉL KRETSCHMAR