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Archiv-Artikel

Die Magie der guten Idee

FOLGEN Das Internet revolutioniert den Fernsehmarkt. Und schafft Chancen für europäische Serien – auch fernab des Mainstreams

Serie „Lilyhammer“: New Yorker Abgebrühtheit trifft auf Unschuld der Norweger

VON DANIELA ZINSER

Mit einer guten Idee schaffst du es. Egal wie klein und wie fern von Hollywood das Land sein mag, aus dem du kommst. Deine Serie wird ein Hit. So ging die Geschichte von Anne Bjørnstad. Die Norwegerin war mit ihrer Serie „Lilyhammer“ Vorbild und Mutmacherin bei einer Diskussionsrunde, in der am Donnerstag in Berlin Drehbuchautoren, Produzenten und Schauspieler über die Zukunft europäischer Fernsehserien berieten.

Und diese Zukunft sieht gar nicht schlecht aus. Auch wenn sich die Bedingungen in den nächsten fünf bis zehn Jahren gewaltig ändern: Serien gehören nun zu einer globalen Industrie, klassische Sender verlieren Zuschauer, dafür steigen von Yahoo bis Apple immer mehr Internetanbieter ins Online-TV-Geschäft ein. Fernsehen ist „so spannend und vielfältig wie nie zuvor“, sagt Frank Spotnitz, einst kreativer Kopf der Mystery-Serie „Akte X“, heute Autor für die BBC-Serie „Hunted“. Durch den größeren Wettbewerb gibt es mehr Raum für kreative Ideen – und die kleinen TV-Anbieter müssen nicht mehr ein Massenpublikum erreichen, sondern können auch Nischen bedienen, so Spotnitz. Doch es kommt vor allem auf die Geschichte an. Gerade heute, wo auf Facebook und in Blogs jeder zum Geschichtenerzähler geworden ist, sagt Brian Seth Hurst, der als Berater mit seiner „Opportunity Management Company“ den Fernsehmarkt auslotet.

Ihre Idee trugen Anne Bjørnstad und ihr Mann Eilif Skodvin jahrelang mit sich herum. Beide sind erfolgreiche norwegische Fernsehautoren, vor allem für Comedyserien. Und genug komödiantisches Material würde eine Serie über einen New Yorker Mafioso, der sich im Zeugenschutzprogramm nach Lillehammer verschiffen lässt, weil der die Olympischen Spiele dort so gerne im Fernsehen sah, doch bringen. Allein der Kulturschock! Und all die hübschen Szenen, wenn New Yorker Abgebrühtheit auf die „Unschuld der Norweger“ triff, wie Anne Bjørnstad es ausdrückt.

Als Traumbesetzung für ihre Hauptfigur Frank „The Fixer“ Tagliano hatten die Autoren den US-Schauspieler Steven Van Zandt vor Augen, der in der Mafiaserie „Sopranos“ bereits Unterwelterfahrung gesammelt hat. Als Van Zandt als Musiker mit Bruce Springsteen durch Norwegen tourte, bekamen sie die Chance, zwanzig Minuten mit ihm zu reden. Übernervös stellten sie ihm ihre Idee vor. Er war begeistert.

Van Zandt übernahm nicht nur die Hauptrolle, er sorgte auch dafür, dass die Serie nicht nur im norwegischen Fernsehen, sondern auch in den USA läuft – beim Video-on-Demand-Portal Netflix. Damit liegt sie im Trend. Genau wie mit dem Team, das aus Norwegern und Amerikanern besteht. Bei allen Problemen – unterschiedliche Verträge, tarifliche Vorgaben, Sprache – sind Ko-Produktionen für den globalen Markt entscheidend. Leute zwischen 25 und 30, die bei Facebook, Twitter und der ganzen Welt unterwegs sind, wollen Geschichten mit Menschen aus aller Welt. Ein internationales Team, aber auch alles in Englisch gedreht? Da waren sich die Medienexperten uneins. Einerseits seien Serien auf Englisch leichter zu vermarkten. Aber sei es schwer, Nicht-Muttersprachler zu finden, die Drehbücher auf Englisch schreiben, regionale Besonderheiten gingen so verloren. Und das Internet, Serien auf DVDs, all das verändere die Sehgewohnheiten der Zuschauer, die lieber das Original mit Untertiteln anschauen.

Bei „Lilyhammer“ werden norwegische Schauspieler untertitelt. Dem Erfolg schadet das nicht: Netflix, mit über 20 Millionen Abonnenten, stellte alle acht Teile auf ein Mal bereit, dank Mundpropaganda steigen die Abrufe. Im norwegischen TV sah knapp eine Millionen Zuschauer die erste Folge. Treue Fans, die die Geschichten weitertragen, sie sogar weiterschreiben, sind, so die Experten, ein weiterer Trend. „Lilyhammer“ haben sie eine zweite Staffel beschert.