: Neue Koalition für Sparhaushalt
NIEDERLANDE Wenige Tage nach Rücktritt der Regierung einigt sich das Parlament doch noch auf ein Sparpaket – gegen Wilders, Sozialisten & Sozialdemokraten
MINISTERPRÄSIDENT MARK RUTTE
VON GUNDA SCHWANTJE
ARNHEIM taz | Zufrieden thronten am Mittwochabend fünf Fraktionsvorsitzende, der kommissarisch tätige Finanzminister und der Interimsministerpräsident im Haager Parlament auf ihren Sitzen. In einem Kraftakt von 48 Stunden hatten sie sich über gut 12 Milliarden Euro Einsparungen geeinigt. Damit hatten sie in Windeseile ein zuvor wochenlang umstrittenes Sparpaket geschnürt. Interimsfinanzminister de Jager, die Vorsitzenden der rechtsliberalen VVD und des christdemokratischen CDA sowie die bisherigen Oppositionsführer von GroenLinks, der linksliberalen D66 und der ChristenUnie hätten eine „unglaubliche Leistung“ erbracht, freute sich Ministerpräsident Mark Rutte.
Der Interimsfinanzminister kann nun erledigen, was vor zwei Tagen noch äußerst unwahrscheinlich erschien: fristgerecht zum 30. April einen Sparetat für 2013 nach Brüssel schicken. Und dieses Sparpaket hält sich an die von den Niederlanden stets eingeklagte 3-Prozent-Klausel für Neuverschuldungen.
Nach chaotischen Tagen und den Lähmungserscheinungen der alten Regierungscrew wird nun Tatkraft sichtbar. Erst am Montag hatte der rechtsliberale Rutte den Rücktritt seines Minderheitskabinetts von VVD und CDA bei Königin Beatrix eingereicht. Der Rechtspopulist Geert Wilders, der Ruttes Regierung tolerierte, wollte dem Sparhaushalt nicht zustimmen. Bis zu Neuwahlen im September amtiert Rutte kommissarisch.
Nun also besteht in groben Zügen Einigkeit über Sparmaßnahmen, welche die Niederländer deutlich in ihren Portemonnaies spüren werden: Die Mehrwertsteuer soll um 2 Prozentpunkte steigen, die Gehälter der Staatsbediensteten eingefroren werden. Alkohol- und Tabaksteuer werden angehoben, das Rentenalter schneller erhöht. Höhere Einkommen zahlen einen Extrabeitrag in die Staatskasse. Zudem soll es Reformen geben, die lang tabu waren: Der steuerliche Abzug von Hypothekenzinsen wird neu geregelt. Und Arbeitgeber sollen die ersten sechs Monate der Arbeitslosenunterstützung selbst bezahlen. Die Opposition bewirkte, dass von der alten Koalition mit den Rechtspopulisten beschlossene Einsparungen zurückgenommen werden. Die neuen Verbündeten haben 77 der 150 Parlamentssitze.
Rutte unterstrich in der Debatte, das Sparpaket sei nicht zustande gekommen, weil Europa dies verlange, sondern weil das Parlament es wichtig finde, der nachfolgenden Generation weitere Schulden zu ersparen.
Der vorherige Duldungspartner Wilders wetterte dagegen: „Europa regiert, Europa diktiert.“ Weil auf dem internationalen Finanzmarkt kein Zweifel über den begehrten Triple-A-Status für Topbonität, den die Niederlande haben, aufkommen sollte, sorgt der frische Wind im Parlament für ein positives Signal.
Die Sozialisten (SP), die in den letzten Monaten in Umfragen deutlich zulegten und derzeit größte Oppositionspartei im Parlament sind, sprachen sich wie die Sozialdemokraten (PvdA) gegen Einhaltung der 3-Prozent-Verschuldungsgrenze aus. Sie bleiben bis zu den Wahlen in der Opposition – wie Wilders’ PVV.