: Exklusivität im neuen Osten
taz-Serie „Rund um den Alex“ (Teil 1): Mit dem Klosterviertel soll gegenüber dem Roten Rathaus die gute alte Stadt neu erfunden werden. Vorbild sind die Townhouses am Friedrichswerder
VON UWE RADA
Die Wiederentdeckung verlorener Stadträume ist die Wiederentdeckung von Identität – der Stadt ebenso wie der ihrer Bewohner. Dass Merksätze wie diese nicht nur Glaubensdinge sind, sondern auch gebaute Realität, hat Hilmar von Lojewski unlängst von einem Besuch in Breslau mitgebracht. „Der Wiederaufbau der Breslauer Altstadt hat den Menschen ihre Geschichte wiedergegeben“, sagte der oberste Hauptstadtplaner der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Warum sollte dies nicht auch in Berlin möglich sein?“
Die Frage war natürlich rhetorisch, schließlich gehört von Lojewski zum Stab von Senatsbaudirektor Hans Stimmann, und als solcher ist er schon von Amts wegen zur „kritischen Rekonstruktion“ verpflichtet, zu jenem planerischen Credo also, das den Wiederaufbau auf historischem Stadtgrundriss und Parzellengröße zum Wohle des von Zukunftsängsten geplagten Stadtbürgers auf die gesamte Innenstadt-Ost ausbreiten möchte. Doch von Lojewski ist auch Überzeugungstäter, und so treibt er insbesondere die Wiederentdeckung des Klosterviertels voran, jenes vergessenen Stadtraums zwischen Grunerstraße, Stralauer Straße und der Stadtbahntrasse, den nur betritt, wer das Podewil ansteuert oder die Kneipe Zur letzten Instanz.
Nach einem Masterplan der Architekten Helmut Riemann (Lübeck) und Ulla Luther (Berlin) soll hier ab 2007 ein innerstädtisches Wohnquartier entstehen, das schon von seiner Grundidee her einen Gegenentwurf zum Alexanderplatz mit seinen Collagen aus den Stadtlandschaften der 20er- und 70er-Jahre bildet. Hier die gute alte Stadt inklusive des Wiederaufbaus des Grauen Klosters, eines der führenden preußischen Gymnasien. Dort die Hinterlassenschaft der Moderne, die man gerne als autogerecht abqualifiziert, weil ihr utopischer Gehalt, die Herstellung sozialer Gleichheit, das ganze Gegenteil von dem ist, was sich hinter alter (und neuer) Gründerzeit verbirgt.
Vorbild für die Planungen von von Lojewski sind die Townhouses am Friedrichswerder. Wo sich bis zum vergangenen Jahr ein Grünzug von der Schinkel’schen Kirche bis zum Spittelmarkt erstreckte, entstehen derzeit fünfstöckige Stadthäuser auf schmalen Handtuchgrundstücken. Eine halbe Million Euro soll ein solches Townhouse kosten – in der Standardversion versteht sich, nach oben hin sind keine Grenzen gesetzt. Die Wiederentdeckung der verloren gegangenen Stadtquartiere ist also zugleich die Wiederentdeckung des exklusiven Wohnens, die angebliche Rückgewinnung der Identität die der Exklusivität.
Im Klosterviertel soll das exklusive Wohnen gleich in drei neuen Blöcken möglich sein, und zwar dort, wo heute noch die Autos auf dem autobahnähnlichen Straßenzug Mühlendamm und Grunerstraße entlangbrausen. Dafür soll der Straßenzug, vom Mühlendamm kommend, in Richtung Spandauer Straße verschwenkt und dann dicht entlang dem Roten Rathaus und den Rathauspassagen weiter geführt werden. „Mit dem Rückbau der Straßen und dem Verkauf von Grundstücken erwirtschaften wir exakt jene 11 Millionen Euro, die die Bereitstellung der Infrastruktur für das neue Klosterviertel kostet“, ist von Lojewski überzeugt.
Andere sind da skeptischer. Als „Milchmädchenrechnung“ bezeichnet die grüne Bauexpertin Claudia Hämmerling das Vorhaben. Vor allem aber bezweifelt sie den Erfolg des Klosterviertels selbst. „Wenn man das wirklich gewollt hätte, hätten man den Straßentunnel unter dem Alexanderplatz nicht sanieren dürfen, sondern hätte ihn zuschütten müssen.“ Ähnlich argumentiert man auch im Bezirksamt Mitte. „Die Ecke ist nicht toll. Sie wird aber auch nicht besser, wenn man sie verdichtet“, sagt die Leiterin des Stadtplanungsamts, Kristina Laduch.
In der Tat wird die Anbindung des neuen Klosterviertels an den Alexanderplatz nicht ganz einfach sein. „Da über die Straße zu kommen“, räumt selbst von Lojewski ein, „ist, wie über die Kantstraße zu gehen und keinen Mittelstreifen zu haben“. Darüber hinaus trennt auch die Verkehrsschneise Stralauer Straße das neue Viertel vom Rest der Stadt und macht es zur verkehrsumbrausten Insel. Gleichwohl glaubt von Lojewski, weise das Projekt auch verkehrspolitisch in die richtige Richtung. „Insgesamt wird der Verkehr durch den Rückbau am Molkenmarkt um 20 Prozent reduziert.“
Was von Lojewski nicht so gerne sagt: Mit einer Zuschüttung des Verkehrstunnels wäre der Verkehr noch weiter reduziert worden. Doch die Sanierung des Tunnels und der reibungslose Verkehrsfluss war dem ehemaligen Bausenator Peter Strieder (SPD) wichtiger als die Anbindung eines neuen Stadtquartiers. Auf Pferdekutschen wie am Breslauer Marktplatz wird Hilmar von Lojewski deshalb wohl auch in Zukunft verzichten müssen.