: Am Schluss ist es dann doch der Song: neue Lieder von Norman Palm und Oliver Koletzki
Irgendwo zwischen seinen beiden Wohnorten Mexico City und Berlin, und dazwischen ist ja bekanntlich allerhand Raum und Zeit zu überwinden, komponierte Norman Palm nicht nur die Lieder für sein Album „Songs“. Sondern schrieb noch ein paar Textchen dazu und zeichnete ein paar Bilder, machte ein paar Fotos und gestaltete ein paar dekorative Schriftzüge. Am Schluss hatte er zwölf Songs und 200 Seiten zusätzliches Material zusammen, die nun als Buch mit CD erscheinen werden.
Das ist doch schön in einer Zeit, in der andere Musikanten ihren Veröffentlichungen einen Internet-Zugang beilegen, damit der Hörer die Songs downloaden und remixen kann. Palms Hang zum Gesamtkunstwerk scheint da zwar vergleichsweise altmodisch, ist aber wohl nur logisch. Denn auch wenn er sich dank der Instrumentierung mit akustischen Gitarren und ansonsten eher spartanischer Besetzung anhört wie ein typischer Singer/Songwriter, hat er ein traditionelles Studium an einer ehrwürdigen Kunsthochschule absolviert.
Erste Bekanntheit sicherte sich der gebürtige Meppener im vergangenen Jahr allerdings nicht als Künstler, sondern mit seinen Versionen von Cindy Laupers „Girls Just Wanna Have Fun“ und „Boys Don’t Cry“ von The Cure. Von den beiden Covers hat es nur der Cure-Klassiker auf das Album geschafft und der ist auch einer der Höhepunkte, weil Norman Palm dem im Original eher zickigen Song dank dramatischer Verlangsamung und einer edlen Posaune eine ungeahnte Erhabenheit abringt. Ansonsten durchschreitet Palm mit seinen weitgehend im Alleingang aufgenommenen Songs selbstsicher das sich anbietende Spektrum von verträumten Liebeserklärungen an eine gewisse Elisa bis zu rumpelnden Beinahe-Protestsongs wie „Army Nation“.
Wäre da aber nicht das dem Album beigegebene liebevolle Büchlein, wäre „Songs“ eine zwar trotz aller Melancholie durchaus humorvolle, bisweilen sogar melodisch berückende, aber schlussendlich dann doch wenig überraschende Liedersammlung eines durchaus talentierten Singer/Songwriters.
So simpel „Songs“ hätte auch Oliver Koletzki sein neues Album nennen können. Denn der DJ und Produzent, der vor vier Jahren mit „Der Mückenschwarm“ einen überraschenden Club-Knaller gelandet hatte, versucht auf „Großstadtmärchen“ sein als international gefragter Tanzbodenbeschaller in Sachen Techno und House erworbenes Wissen auf die wundervoll weite Welt der Popmusik anzuwenden. Das Ergebnis sind dann Stücke, die weniger Tracks, sondern eben eher Songs geworden sind.
Das mag eine Tendenz sein, die in der elektronischen Musik schon seit längerem zu beobachten ist, aber Koletzki fügt dem Trend, unterstützt von einer Riege wechselnder Stimmen, einige überaus gelungene neue Beispiele hinzu: Vor allem wenn er versucht, die mathematische Strenge von Techno zugunsten einer aus dem House entlehnten Soul-Wärme zu minimieren, glücken ihm wundervolle Electro-Popsongs, allen voran die Single „Hypnotized“. THOMAS WINKLER
■ Norman Palm: „Songs“ (Ratio/ Morr Music/Indigo), live 4. 9. Kuma Galerie, 4. 10. Deutsches Theater
■ Oliver Koletzki: „Großstadtmärchen“ (WordandSound/Rough Trade)