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Kleines Glück im Alten Land

Hühnerhaltung zwischen Birnen und Äpfeln: Nicht ohne Grund firmieren die Eier von einem Jorker Demeter-Obstbetrieb unter der (lustigen) Marke „Happy Huhn“

Obstbäuerin Heike zum Felde hört gerne Mozart bei der Arbeit. Ihre 294 Hühner staksen derweil zwischen den Bäumen umher, sie legen wöchentlich 1.200 Eier Foto: Dierk Jensen

Von Dierk Jensen

Im Oktober neigt sich im privaten Gewächshaus von Obstbäuerin Heike zum Felde die Saison langsam dem Ende zu. Die letzten Tomaten, Gurken und Staudenselleries werden gepflückt. Und damit verstummt in den Herbsttagen auch die Musik von Mozart, die sie immer auflegt, wenn sie im Gewächshaus in und an ihrem Gemüse arbeitet.

„Ich höre selbst liebend gerne Mozart und auch für die Pflanzen, die im vollen Saft stehen, haben die klassischen Töne etwas Beschwingendes“, verrät zum Felde zufrieden auf ihrer Bank sitzend. Ihre Kaffeepause ist jedoch nur kurz, ihr Telefon klingelt ständig – kein Wunder, denn die Apfelernte auf dem Demeter-Obsthof in Jork im Alten Land südlich der Elbe ist in vollem Gange. Gilt es doch, die Früchte auf über 80 Hektar zu ernten. Dafür sind neben 7 Festangestellten weitere 55 Saisonarbeiterinnen – überwiegend aus Rumänien – im Einsatz.

Hektische Betriebsamkeit: Überall auf dem Hof stehen volle Apfelkisten aufgereiht, fahren Traktoren und ziehen ihre Erntefrachten hinter sich her. Wie überall im Alten Land südwestlich von Hamburg, das als eines der größten zusammenhängenden Obstanbaugebiete Deutschlands gilt. Auf dem Obsthof zum Felde wird schon seit über 25 Jahren nach ökologischen Kriterien gearbeitet, anfänglich im Naturland-Verband, seit 2018 darüber hinaus im Demeter-Verband.

„Dafür musst du bereit sein. Deine innere Einstellung ist gefordert, zudem ist Demeter zeitaufwändig, du nimmst an Seminaren, Fortbildungen und vielen Treffen teil“, erzählt zum Felde und freut sich, diese Entscheidung nach einem langen Entwicklungsprozess zusammen mit ihrem Mann Heinrich „endlich“ getroffen zu haben. Seither wird die ganze Kulturfläche mit Hornmist- und Schafgarbe-Präparaten besprüht.

Und an dieser Stelle kommt auch „Happy Huhn“ ins Spiel. „Heinrich wollte schon immer in unseren Obstplantagen etwas rumlaufen haben“, erklärt die Landwirtin. Und so haben beide im Zuge ihres Beitritts in den Demeter-Verband eine Schar Hühner erworben, die seit 2019 durch ihre Obstplantagen staksen.

Heike und Heinrich entschieden sich für die Rasse Bremer Braune. Dazu schafften sie sich ein Hühnermobil an, einen Stall auf Rädern, der zum jeweiligen Verweilort der Herde bewegt werden kann. Während in der konventionellen Hühnerhaltung 550 geflügelte Zweibeiner in so einem Standard-Hühnermobil untergebracht sind, haben der Demeter-Verband und seine Mitglieder eine andere Vorstellung von Tierwohl: Demeter erlaubt für dieses Standardmobil nur 300 Hühner, um jedem einzelnen Tier am Ende auch artgerecht genügend Raum zu bieten. Und so gackern, picken und grasen auf dem Bio-Hof auch „nur“ 294 Hühner – unter freiem Himmel, am Rande einer Birnenplantage vor dem dort abgestellten Hühnermobil.

Die kleine Hühnergruppe legt wöchentlich rund 1.200 Eier. Dabei scheint es den Eier legenden Hühnern wahrlich gut zu gehen: Ihr braun schillerndes Federkleid ist dicht gewachsen, wirkt vital. Zumal auch das „Liebesleben“ durch sechs Hähne – bei Demeter muss auf 50 Hühner mindestens ein Hahn „abgestellt“ werden – offenbar nicht zu kurz kommt.

Wenn zum Felde zu ihren Hühnern geht, dann kommt ihr eine unaufgeregte, ausgeglichene Schar entgegen. „Trotzdem haben auch wir manchmal ein paar Hühner dabei, die ein gerupftes Federkleid haben oder die gemobbt werden. Für diese haben wir eine kleine separate Therapie-Box unter alten Kirschbäumen, in der sie getrennt von der Herde wieder zu Kräften kommen können“, verrät zum Felde auch von Unstimmigkeiten.

Doch an diesem Herbsttag ist kein einziges Tier zu erkennen, das sich nicht wohl fühlt. Alle Zweibeiner warten entspannt darauf, dass ihre Halterin die Weizenkörner hinter einem unter Strom stehenden Zaun zwischen die Obstbäume wirft. Wieso ein Zaun? Ja, es gibt Marder und Füchse im Alten Land, die sich ohne die Schutzvorrichtung an die Hühner ranmachen würden.

Von diesen geschützt-glücklichen Verhältnissen bekommt der Konsument in Hamburg und Umgebung eigentlich nicht viel mit, außer dass eben auf der Eierpackung „Happy Huhn“ steht. Das klingt fast ein wenig albern, hört sich wie hipper Marketing-Sprech an, aber bringt am Ende doch auf den Punkt, wie die Hühner auf dem Obsthof zum Felde leben. Dabei sind Heike und Heinrich nicht selbst auf diesen Namen gekommen, sondern ihr Händler Hans-Joachim Seidel, der die Demeter-Eier an ausgewählte Lebensmittelmärkte verteilt.

Der Absatz der relativ kleinen Mengen läuft reibungslos, obschon der Preis sich im oberen Segment bewegt. „Als er uns die Verpackungsgestaltung mit dem Markennamen ‚Happy Huhn‘ unterbreitete, empfanden wir das als etwas übertrieben, aber mittlerweile haben wir uns damit angefreundet“, erklärt Landwirtin Heike zum Felde ihre erste Skepsis gegenüber allzu viel Werbe-Überschwang.

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