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EditorialLove hurts

Von unserer Redaktion

„Die Liebe ist ein seltsames Spiel“, das wusste schon Connie Francis in den 1960ern. Am vergangenen Samstag gab es auf dem Stuttgarter Schlossplatz jede Menge Anlass, den Uralt-Schlager vor sich hinzusummen. Auf der einen Seite Pappschilder mit Komposita wie „Friede Freiheit Liebe“, während auf der anderen Seite an einem Stand kurioser Fundamentalchristen („Übernatürliche Heilung hier – ergreifen Sie Ihre Chance!“) ein frommer Sänger schmachtete: „Lass die Liebe in dein Herz.“

Anlass für so viel Liebe war eine Veranstaltung mit dem etwas zu groß geratenen Motto „Baden-Württemberg steht auf“, zu der die gleichnamige Bürgerinitiative sowie die BI „Leuchtturm ARD“ („Arbeitsgemeinschaft Redlicher Diskurs“) aufgerufen hatten. Einige Hundert Leute waren vom Marienplatz zum Schlossplatz gelaufen, Fahnen mit Schwarz-Rot-Gold wurden neben solchen mit roten Sternen („Freie Linke“) geschwenkt, und einige Slogans verrieten deutliche Schnittmengen mit der Querdenken-Bewegung.

Jürgen Todenhöfer kritisierte die Außenpolitik mit Bezug auf den Ukrainekrieg. Der Landwirt Wolfgang Daiber sah auf die Ver­brau­che­r:in­nen einen riesigen Preisschub zukommen, da die Regierung eine Erhöhung der Lkw-Maut beschlossen habe. Und der Unternehmer Wolfgang Kochanek sah in der Umsetzung der Ampel-Klimaziele eine Art Generalangriff auf das freie Unternehmertum. Er hofft auf die Gründung einer neuen Partei, „in der sich Linke und Rechte gegenseitig befruchten“ und die, wenn sie an die Regierung komme, „in diesem Land aufräumen“ werde. Ob er auch die AfD dafür für geeignet hält, sagte er nicht ganz so direkt: „Wenn eine Partei ein Drittel der Wählerstimmen hat, dann wird diese Partei Teil der demokratischen Erneuerung dieses Landes sein.“ Spätestens jetzt hätten von irgendeiner Ecke Roy Orbison oder Nazareth „Love hurts“ schmettern müssen. Geschah nicht.

Die Wüste lebt?

Es ist nicht wirklich neu: Wo lokaler Journalismus nicht mehr stattfindet, schwindet Information, schwindet Diskurs. Diese Verluste sind gefährlich für die Demokratie. So weit teilt Kontext die Einschätzung des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV). Der traf sich kürzlich zur Jahrestagung und forderte eine staatliche Förderung der Zustellung – nicht ganz uneigennützig. Wir dagegen finden, dass jetzt die Zeit ist, in den Aufbau neuer Strukturen zu investieren und gemeinnützig gegen die drohende Pressewüste vorzugehen.

Denn schon heute gibt es Non-Profit-Projekte wie etwa Kontext in der Region Stuttgart, das Recherchezentrum Correctiv oder die Relevanzreporter in Nürnberg. Wissend, wie wichtig Recherche und Aufklärung gerade in Zeiten von Rechtspopulismus und Fake News sind. Deshalb engagiert sich Kontext im Forum gemeinnütziger Journalismus und fordert: Diese Projekte, die Journalismus für die Gesellschaft machen, müssen als gemeinnützig anerkannt werden, wie es im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition steht.

Deshalb sind wir am kommenden Wochenende beim Non-Profit-Festival von taz-Panter-Stiftung und Vocer-Institut vertreten. Kontext-Redakteurin Gesa von Leesen sitzt auf dem Panel „Die Wüste lebt! Sechs spannende Non-Profit-Journalismusprojekte in Deutschland“. Susanne Stiefel diskutiert als Vorsitzende des Forums gemeinnütziger Journalismus und Mitbegründerin von Kontext mit politisch Verantwortlichen zum Thema „Zustellung ist nicht alles! Wie schaffen wir politische Rechtssicherheit für Non-Profit-Journalismus?“

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