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Archiv-Artikel

„Wir verbessern uns täglich“

Sascha Lewandowski, A-Jugend-Trainer des VfL Bochum, über professionelle Nachwuchsarbeit, das notwendige Teamwork und die Aussichten im Kampf um die deutsche Fußballmeisterschaft

INTERVIEW: HOLGER PAULER

taz: Herr Lewandowski, sie sind zum dritten Mal in Folge mit der A-Jugend des VfL Bochum Meister der Bundesliga West geworden. Im Jugendbereich ist niemand erfolgreicher. Warum arbeiten Sie nicht mit Profis?

Sascha Lewandowski: Die A-Jugend wird in ihrer Außenwirkung völlig unterschätzt. Seit der Einführung der dreigleisigen Bundesliga vor drei Jahren bewegen wir uns auf einem konstant hohen Niveau. Die Arbeit ist sehr professionell geworden und mittlerweile vergleichbar mit den Anforderungen in der ersten oder zweiten Liga.

Geht das überhaupt? Profitum im Jugendfußball?

Wir arbeiten täglich hart daran, uns zu verbessern. Die Entwicklung der Spieler gerade im A-Jugend-Bereich, also im Alter von 17 bis 19 Jahren ist enorm wichtig. Dort entscheidet sich der weitere Weg. Darauf weise ich die Spieler täglich hin. Sie müssen alles investieren, um besser zu werden, vor allem taktisch. Als Trainer kann man sich dabei wunderbar ausleben.

Wie leben Sie sich aus?

Das geht beispielsweise beim Spielsystem. Mal offensiver, mal defensiver. Je nach Spielermaterial. Oftmals merke ich erst während einer Saison, welches System besser passt. Ich habe aber Zeit, darauf zu reagieren, weil der Druck nicht so groß ist.

Ihre Spieler befinden sich teilweise noch in der Schule oder in der Ausbildung. Wie gehen Sie damit um?

Die Spieler betreiben vor allem fahrtechnisch einen großen Aufwand. Wir versuchen, ihnen im Rahmen des Möglichen freie Tage einzuräumen, um allen Anforderungen gerecht zu werden: Fußball, Schule und Privatleben. Das Training muss dabei konzentriert werden, dann kann man auch mal auf eine Einheit verzichten. Es ist eine Frage der Qualität des Trainings und nicht der Quantität, ob sich die Spieler verbessern.

Werden die Spieler Ihren hohen Anforderungen gerecht?

Jeder, der in der A- oder B-Jugend eines Bundesligisten spielt, weiß worauf er sich täglich einlässt. Schließlich geht es darum, im Idealfall den Profibereich mit ein bis zwei Spielern pro Jahr zu versorgen. Spätestens wenn der Sprung in den Seniorenbereich vollzogen wird, merken auch die Spieler, wozu sie in der Lage sind. Profi, Amateur, manche hören mit Anfang 20 auf, weil sie keine Perspektive sehen.

Wie klappt denn die Zusammenarbeit mit der Profiabteilung?

Der neue VfL-Trainer Marcel Koller (seit zwei Wochen im Amt, Anm. d. Redaktion) hat sich direkt nach seinem Amtsantritt unser Pokalspiel gegen Dortmund angesehen. Er hat den Ruf, auf junge Spieler zu setzen. Über den ehemaligen Trainer Peter Neururer kann ich auch nichts Schlechtes sagen, er hat mir am Sonntag telefonisch zur Meisterschaft gratuliert.

Trotz der Erfolge der letzten Jahre hat kein Nachwuchsspieler des VfL Bochum den Sprung zu den Profis geschafft. Nationalspieler Ersan Tekkan, der als Riesentalent gehandelt wurde, spielt bei den Oberliga-Amateuren, lediglich U-19-Spieler Dennis Grote kam zu sporadischen Einsätzen.

Wir hatten vielleicht nicht immer die Fülle an herausragenden Einzelspielern. Wir leben davon, dass wir sehr gut als Team funktionieren. Ich wünsche mir schon, dass sich meine Arbeit bei den Profis widerspiegelt. Momentan ist es nicht ganz so, aber das kann sich ganz schnell ändern.

Sind Individualisten bei den Profis wichtiger?

Im Mannschaftssport wird dies nie der Fall sein. Es geht immer darum, wie du als Team funktionierst und harmonierst. Da unterscheiden sich Jugend, Amateure und Profis nicht.

Der VfL Bochum hat eine enorme Konkurrenz in der A-Jugend-Bundesliga. Die Nachbarn Schalke, Dortmund, dazu Köln, Leverkusen oder Mönchengladbach haben finanziell bessere Voraussetzungen. Wird man da nicht neidisch?

Nein. Wir müssen einfach besser harmonieren als die Anderen. Innerhalb der Mannschaft und auch des gesamten Vereins. Das ist die große Herausforderung. Andererseits ist hier auch sehr viel entstanden. Das neue Jugendleistungszentrum bietet gute Voraussetzungen. Es macht ja auch Spaß, mit möglichst wenig Geld viel zu erreichen, die Großen zu ärgern. Die Spieler müssen natürlich alle mitziehen. In den letzten drei Jahren hat es gut funktioniert.

Scheinbar reicht es nicht immer. Die Jugend-Nationalspieler Marvin Matip und Mustafa Kucukovic wechselten nach Köln oder Hamburg. Sie waren angeblich mit ihren Verträgen nicht zufrieden. Wie sehr schmerzt so etwas?

Schon sehr. Als A-Jugendtrainer freut man sich natürlich, wenn die Spieler für den eigenen Verein auflaufen. Das ist der Optimalfall. Dann weiß ich, dass die Arbeit nicht umsonst war. Ich kann und will das aber nicht beeinflussen. Ich bin A-Jugend-Trainer und nur dafür zuständig. Die Vertragsgeschichten spielen sich auf einer anderen Ebene ab. Bei den Gesprächen mit Kucukovic war ich dabei. Da kann ich dem Verein keinen Vorwurf machen. Da gab es individuelle Forderungen seitens des Spielers und seines Umfeld, die man als Verein niemals erfüllen darf.

Am Mittwoch spielt Ihr Team im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft gegen Hertha BSC Berlin. Das Team wird als Übermannschaft dargestellt. Vor zwei Jahren wurde Berlin B-Jugend-Meister.

Sie haben eine Fülle an hervorragenden Spielern. 20 hervorragende Talente in einem Jahrgang. Das ist ungewöhnlich. Die Regel ist acht bis neun. Andererseits haben sie in der Meisterschaftsrunde kaum zusammen gespielt. Einige Topleute werden nicht dabei sein, weil sie gesperrt sind oder bereits bei den Profis oder Amateuren spielen. Individuell sind die Berliner wohl stärker. Mit unseren Qualitäten müssen wir uns aber nicht verstecken. Das Teamwork ist entscheidend. Wir sind nicht umsonst Meister in der sehr ausgeglichenen Bundesliga West geworden.