piwik no script img

Kommentar von Kaija Kutter über falsche JugendamtsentscheidungGewaltschutz ernster nehmen

Es ist schwierig, nach schrecklichen Todesfällen auf das Versagen Einzelner im Jugendamt zu schauen. Die Sozialarbeiter dort haben mit Menschen zu tun. Deren Verhalten lässt sich nie sicher vorhersagen. Und Konsequenzen aus dramatischen Einzelfällen führten in der Vergangenheit schon oft zu Regelverschärfungen, die wiederum anderen das Leben schwer machten. Und doch, man wünschte sich, das Jugendamt in Bremen hätte in diesem Fall keinen unbegleiteten Umgang mit dem Vater zugelassen.

Die Umstände dieses Falls sind noch unklar. Etwa, ob das im Juni verfügte Kontaktverbot nur für die Mutter oder auch für das Kind galt? Die Frage, die sich aufdrängt, ist aber, welchen Stellenwert der Schutz vor häuslicher Gewalt derzeit hat?

Begleiteter Umgang wird in der Regel vom Gericht beschlossen. In einigen der taz bekannten Fällen geschah dies aus harmloseren Anlässen, etwa, wenn ein Richter fürchtete, dass eine Mutter ohne Aufsicht ihr Kind mit Worten negativ gegenüber dem getrennt lebenden Vater beeinflusst.

Jugendämter in ganz Deutschland wurden im vergangenen Jahrzehnt darin geschult, die Rechte von Vätern bei Umgang und Sorgerecht zu unterstützen. Dabei schoss mancher übers Ziel hinaus. Da hieß es in Schulungsmaterial, man sollte den Begriff der häuslichen Gewalt hinterfragen, ginge der doch meist gegen die Väter und übten doch die Mütter, bei denen die Kinder sind, mit ihrer Verfügungsgewalt auch eine Art von Gewalt aus.

Kinder wurden gewaltsam von ihren Müttern getrennt, damit sie an ihre Väter herangeführt und gewöhnt werden. Und dies geschah sogar in Fällen, in denen es Gewaltvorwürfe gab. Dahinter steckte die Sorge, dass eine „Entfremdung“ vom Vater auf Dauer und in Zukunft des Kindes die größte Gefährdung darstelle.

Doch dies ist fachlich höchst umstritten. Folgt man diesem Narrativ, wird der Schutz von Frauen und Kinder vor Gewalt vernachlässigt, so wie er europaweit in der Istanbul-Konvention vereinbart und in Deutschland geltendes Recht ist. Das darf nicht sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen