: Wenn die Angst vor der Ansteckung ansteckend ist
Zeit für den Sandkasten bleibt nur, wenn das Kind krank ist. Und wenn die Erzieherin glaubt, dass das Kind krank sei. Im ersten Kita-Jahr gibt es viel zu glauben: Scharlach, Mumps, Röteln, Dreitagefieber, Bindehautentzündung, Windpocken, Keuchhusten, Krätze, Corona oder diesmal Hand-Mund-Fuß.
Hätte die Vermutung der Erzieherin Hand und Fuß, läge das Kind mit entzündeten Fingern und Bläschen an den Lippen im Bett. Doch das Kind gibt nichts auf die Ahnung der Erzieherin. Und so sitzen wir schon ab acht Uhr im noch schattigen Sandkasten am Waldspielplatz Herrenallee.
Leipzig-Zentrum-Nord
9.631 Einwohner:innen.
Der Stadtteil ist geprägt vom ausufernden Grün des Rosentals. Wer weder Hund noch Kinder hat, kennt es vor allem vom Durchradeln. Aber auch seine Spielplätze sind hochspannende und -ansteckende Soziotope.
Nachmittags wegen der prallen Sonne oft leergefegt, gräbt sich nun eine Bollerwagenladung Kita-Kinder und einige nicht weniger lautstarke Eltern mit Eiswaffeln und -löffeln aus buntem Plastik durch den Sand. Als ein Windelflitzer die Förmchen und Aufmerksamkeit des vermeintlich kranken Kindes für sich gewinnen will, warne ich seine hochschwangere Mutter: Hand-Mund-Fuß-Verdacht. Diese lässt ihre Eiswaffeln stehen und liegen und ist mit Kind schneller verschwunden als es ihr Neun-Monats-Bauch hätte vermuten lassen. Selbst die Bollerwagenkinder rollen jetzt vom Spielplatz. Ob die Angst vor Ansteckung auch für Kinder ansteckend ist? Kornelius Luther
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen