Die Kreditgeber bevorzugen Einzelkämpfer

Mehr Eigentumswohnungen in der Innenstadt. Das war 1996 ein Ziel des Masterplans. Die Bilanz fällt nüchtern aus. Obwohl das Interesse an Baugruppen groß ist, stellen sich Banken und Politik quer. Anderswo ist man da weiter

Es war ein schöner Traum. Die Nutzer von innerstädtischen Wohnungen müssten endlich auch Eigentümer werden, forderte der Stadthistoriker Dieter Hoffmann-Axthelm 1996 in seinem Berliner Masterplan alias „Planwerk Innenstadt“. Nur so könne die Stadtflucht von jungen Familien verhindert und bürgerschaftliches Engagement im Stadtteil vorangebracht werden.

Knapp zehn Jahre später fällt die Bilanz eher ernüchternd aus. Zwar haben sich einige Familien zu so genannten Baugruppen zusammengeschlossen, um in innerstädtischen Baulücken nach eigenen Plänen – und ohne anonymen Bauträger – zu bauen. Doch zur gesellschaftlichen Bewegung haben es die „Nutzer als Eigentümer“, anders als seinerzeit die aus der Hausbesetzerbewegung hervorgegangenen Selbsthelfer, nicht gebracht.

Als Grund nennt Winfried Hammann die Politik des Senats. „Die Politik fördert entweder alles, wie bei den Selbsthelfern, oder sie fördert gar nichts“, schimpft der Stadtsoziologe, der mit Hoffmann-Axthelm vor einigen Jahren die Bürgerstadt Aktiengesellschaft gegründet hat. „Ich kenne keinen einzigen Fall, wo das Land Berlin bauwilligen Familien durch die Reduzierung des Grundstückspreises entgegengekommen wäre“, so Hammann. „In den Hochburgen der Baugruppen, in Freiburg oder Tübingen, ist das anders.“

Aber auch die Banken haben das Thema noch nicht entdeckt, meint Hammann. Wer in einer Baulücke ein mehrgeschossiges Wohnhaus nach den individuellen Vorstellungen der Nutzer plant, wird zwar keine Mühe haben, Interessenten zu finden. Ob aus denen aber künftige Mit-Bauherren werden, hängt von vielen Faktoren ab. „Da sind die Planungskosten, die man braucht, um überhaupt die Baugenehmigung zu bekommen, und da ist der Kaufvertrag mit dem Eigentümer. Im Grunde funktioniert das nur, wenn die Bauherren den Grundstückspreis nicht sofort zahlen müssen und Zeit haben, die Baugruppe nach und nach aufzufüllen.“ Dafür, meint Hammann, brauche man einen Fonds, der diese Risiken absichert. „Doch die Banken und Sparkassen machen nur Individualförderung.“

Wie schwierig Bauen nach eigenen Vorstellungen ist, erfährt die Bürgerstadt AG auch am eigenen Leibe. Bei der Baugruppe Pappelallee hat Hammanns Gesellschaft die Planungskosten vorgestreckt. Von den sechs Wohneinheiten, die einmal entstehen sollen, sind bisher aber nur zwei vergeben. Für die anderen vier sucht die Baugruppe noch Interessenten. Oft reicht schon eine nicht verkaufte Wohnung aus, um das ganze Vorhaben in Schieflage zu bringen.

Dass Berlin ins Hintertreffen geraten ist, liegt aber nicht nur an der fehlenden Unterstützung von Politik und Banken oder der mangelnden Risikobereitschaft der bauwilligen Familien. Auch die Bebauungsdichte in der Innenstadt ist ein Problem. Während es in Tübingen und Freiburg meist um sechs oder acht Wohneinheiten je Vorhaben geht, können es in Berlin leicht bis zu dreißig werden. Trotz individueller Planungen gilt natürlich auch da: Erste und zweite Obergeschosse gehen schlechter als Dachgeschosse. Daran kann manchmal auch der Preisunterschied nichts ändern.

Beim Vorhaben „Strelitzer Gärten“ hat man deshalb gleich versucht, die Vorstadt in die Stadt zu holen. Zwischen der Strelitzer und der Bernauer Straße gibt es nicht nur Stadthäuser, sondern – im Blockinnern – auch Doppelhaushälften.

UWE RADA