: Kritik beschädigt nicht
Nicht gegendarstellungsfähig (VII): Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Die Kritik an Horst Köhler
Der Kanzler beschwerte sich dieser Tage über Kritik am Bundespräsidenten aus den Reihen der SPD-Bundestagsfraktionsführung. Es dürfe die Würde und das Ansehen des Amtes nicht beschädigt werden. So etwas hört man oft und ist doch Unsinn.
Jedes deutsche Amt, und habe es Verfassungsrang, wird bei der Besetzung die Beute von Parteienproporz und -zugriff. Die politische Klasse tut alles dafür, dass das so bleibt. Kein Leiter einer Bundesbehörde, kein Intendant; kein Bundes- oder Verfassungsrichter wird ohne parteilichen Hintersinn ernannt. Wer Präsident des Bundesverfassungsgerichts wird, entscheiden die Parteien. Erst recht gilt das für den Bundespräsidenten. Und jeder Amtsträger beruft sich seine parteilich gebundene und geprägte Entourage. Keiner dieser Leute wird zum besseren Menschen, nur weil er in das Amt gehievt wird. Köhler ist ein strammer Parteigänger. Er hat noch keine Rede gehalten, die nicht geprägt war von seinen wirtschaftsliberalen und parteigebundenen Überzeugungen. Er ist ein besonders von seinen Entsendern abhängiger, ihnen in auffälliger Weise dienender Bundespräsident.
Staatspolitisch ist jedes Kritikverbot an einem solchen Mann und seiner Amtsführung schädlich. Der Mann steht nicht jenseits der Verfassung, sondern hat sich in besonderer Weise öffentlicher Kontrolle und Kritik zu stellen, weil es keine andere Kontrollinstanz für ihn gibt als die Öffentlichkeit. Denn unterhalb der Schwelle einer Präsidentenanklage kann ihn kein Parlament befragen oder sein Handeln untersuchen usw. Das Gerede von der Würde eines Verfassungsorgans, die durch Kritik beschädigt werden soll, ist vordemokratisch („Majestätsbeleidigung“), und überhaupt nicht „staatstragend“. Das Kritikverbot zielt zudem auf die Verschleierung des Umstandes, dass Köhlers Berufung der Anfang der Wende der bundespolitischen Machtverteilung war, und von ihm auch so verstanden wurde. Er exekutiert seit seinem Amtsantritt seinen Auftrag und befördert den Machtwechsel.
Wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass aus dem Milieu des Bundespräsidialamtes Einzelheiten über die Umstände und Inhalte von vertraulichen Gesprächen mit dem Kanzler an die Öffentlichkeit geraten, dann verdient Köhler dafür Kritik. Diese muss so laut geäußert werden, wie nötig, um die Öffentlichkeit zu erreichen. Nicht die Kritik, sondern deren Anlass beschädigt die Würde und das Ansehen des Amtes.
JONY EISENBERG ist Strafverteidiger und Presseanwalt in Berlin