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Wenn die Beziehung einen Riss bekommt

Das Paar – Mitte 30, Kleidung casual, mit Gepäck für ein längeres Wochenende – steigt am Hamburger Hauptbahnhof in die U-Bahn. Direkt dahinter tritt ein Mann durch die Tür, ähnliches Alter, aber deutlich weniger schick, und sagt sein Sprüchlein auf: „Tut mir leid, Sie zu stören, aber ich bin in Not und bitte um eine kleine Spende …“

Als niemand reagiert, geht er weiter. Die männliche Person des Paares rümpft die Nase: „Ich verstehe solche Leute nicht.“ Es folgen Sätze wie: „Wer will, findet Arbeit“ oder „Es gibt doch Wohnheime“.

Während dieser Worte schaut die weibliche Person ihr Gegenüber zunehmend prüfend an, bevor sie widerspricht: Aus der Obdachlosigkeit heraus Arbeit zu finden, sei fast unmöglich. In ein Wohnheim wolle und könne nicht jeder. Die männliche Person lässt das nicht gelten, sondern äußert Ärger darüber, wie lange der Bitte-um-eine-Spende-Spruch gedauert habe. „Wir empfinden es als lang, weil wir ein schlechtes Gewissen haben“, sagt die Frau. „Ich habe kein schlechtes Gewissen“, verkündet der Mann.

Hamburg-Mitte

300.300 Ein­wohner*innen.

Mit mehr als 550.000 Fahrgästen pro Tag ist der Hamburger Hauptbahnhof der meist­frequentierte Bahnhof Deutschlands, vor dem Frankfurter mit knapp 500.000.

Nein, sie haben sich nicht direkt in der U-Bahn getrennt. Esther Geißlinger

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