: Bedingte Finanzierungsmöglichkeiten
Nach bisherigen Berechnungen lässt sich ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bundesbürger:innen nur mit einer absurd hohen Einkommensteuer bewerkstelligen
Von Hannes Koch
Die bisherigen Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt Grundeinkommen geben den Befürworter:innen Recht. Wer 1.200 Euro monatlich steuerfrei zusätzlich zum Arbeitseinkommen erhält, berichtet über eine höhere Lebensqualität und weniger finanzielle Sorgen. Alles andere wäre auch erstaunlich. Allerdings beantwortet das nicht die Frage, woher das Geld für das Projekt denn kommen soll.
Dazu gibt es jetzt eine neue Untersuchung der Universität Stuttgart. Volkswirtschaftler Frank Englmann hat mit Kolleg:innen mehrere Varianten für die Finanzierung des Grundeinkommens durchgerechnet. Die Kosten lägen in der Größenordnung von 900 Milliarden Euro pro Jahr, was etwa einem Viertel der deutschen Wirtschaftsleistung entspricht oder ungefähr allen bisherigen Steuereinnahmen eines Jahres. Daraus erhielten alle erwachsenen Bürger:innen zwischen rund 600 und 1.200 Euro monatlich, Kinder zwischen rund 500 und 800 Euro. Die Beträge schwanken, weil sie im Modell zum Beispiel bei regionalen Lebenshaltungskosten differenziert wurden. Leute im teuren München bekämen mehr als Einwohner des vergleichsweise günstigen Brandenburgs.
Um so große Summen zu finanzieren, schlagen die Wissenschaftler:innen die drastische Anhebung der Einkommensteuer vor. In einer der Berechnungsvarianten beträgt der Eingangssteuersatz beispielsweise 80 Prozent. Wer 1.000 Euro mit eigener Arbeit verdient, muss 800 Euro an den Staat abgeben. Dieser Steuersatz gälte bis zu einem Bruttojahreseinkommen von 15.000 Euro. Darüber betrügen die Steuersätze progressiv ansteigend zwischen 43 und 70 Prozent.
Das klingt heftig und völlig unrealistisch. Allerdings muss man das Grundeinkommen addieren, das alle erhalten. Wer 1.000 Euro selbst verdient und 800 Euro Steuern zahlt, käme mit zusätzlichen 1.000 Euro insgesamt auf 1.200 Euro – und stünde besser da als vorher. Das spiegelt sich in der gesamtgesellschaftlichen Verteilung. Die 60 Prozent der Bevölkerung mit niedrigen und mittleren Einkommen würden im Vergleich zu heute profitieren, die oberen 30 Prozent dagegen massiv draufzahlen. In der Gegend von 100.000 Euro Jahreseinkommen betrüge der Verlust um die 14.000 Euro. Zu ähnlichen Ergebnissen kam 2021 schon der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums. Es erscheint fraglich, ob die Wohlhabenden und Reichen so etwas mitmachen.
Das Resultat hängt jedoch von den Annahmen ab, die den Modellrechnungen zugrunde liegen. Wenn man nur die Einkommensteuer zur Finanzierung des Grundeinkommens heranzieht, muss diese sehr hoch ausfallen. Der Staat könnte jedoch auch auf andere Steuern zurückgreifen, etwa höhere Abgaben auf Kapital, Vermögen, Erbschaften und Immobilien oder auch eine höhere Mehrwertsteuer auf Luxusartikel. Weitere Berechnungen werden solche Lücken wohl füllen.
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