Deutschland in der U21-EM: Ein einziges Trauerspiel

Die U21-EM endet für das deutsche Team bereits in der Vorrunde. Zwischen Selbstanspruch und Realität klafft eine gewaltige Lücke.

Ein Fußballer steht im Stadion, die Hände an den Hüften

Angelo Stiller schmerzt die Niederlage gegen England Foto: Sebastian Kahnert/dpa

BATUMI taz | Mit einem interessanten Begriff verabschiedete sich der Torhüter Noah Atubolu am Mittwochabend nach einer endgültig desillusionierenden Leistung der deutschen Mannschaft aus dem Europameisterschaftsturnier der U21-Junioren.

Das Team sei in „so einen Rausch“ hineingeraten und aus diesem Zustand während all der Tage an der georgischen Schwarzmeerküste „nicht mehr raus“ gekommen, sagte Atubolu nach dem 0:2 gegen England, an dessen Ende Deutschland als Gruppenletzter ausgeschieden war.

Wer weder die Spiele noch die Ergebnisse kannte, hätte in diesem Moment glauben können, der Profi des SC Freiburg berichte von einem positiven Erlebnis, das Gefühl eines beflügelnden Turnierrausches hat schließlich schon viele große Erfolge möglich gemacht. Aber in diesem Fall handelte es sich eher um einen nicht enden wollenden Horrortrip, den die DFB-Delegation in Batumi erlebte, und der viele offene Fragen hinterlässt.

Mit einer sagenhaften Verletzungsserie, zwei verschossenen Elfmetern im ersten Spiel gegen Israel, einer für zwei, drei Tage hell aufleuchtenden Rassismusdebatte nach Beleidigungen gegen die Spieler Youssoufa Moukoko und Jessic Ngankam in den sozialen Netzwerken nahm das Unglück Fahrt auf.

Der Selbstanspruch der U21

Es folgte ein schmerzliches Gegentor im Duell mit den Tschechen, als die Mannschaft endlich begonnen hatte, druckvoll und intensiv Fußball zu spielen, „grundsätzlich ist es so, dass diese ganzen Rückschläge schwer zu verkraften sind“, sagte der Rechtsverteidiger Kilian Fischer. Es war einfach zu viel für diese junge Mannschaft und ihren Trainer Antonio Di Salvo, der es nicht schaffte, diese Dynamik zu bremsen.

So geht die eine Erzählung dieses Misserfolges, der auch deshalb so gravierend erscheint, weil er auf drei U21-Europameisterschaften folgt, bei denen das Team jeweils das Finale erreicht und zweimal sogar gewonnen hatte. Im Verlauf der trostlosen Tage von Georgien hat dann offenbar auch der im Trainingslager in Südtirol noch lautstark beschworene Teamgeist Schaden genommen, deutete Yannik Keitel an: „Es hat an dem einen oder anderen Ende gefehlt, an Intensität, vielleicht auch dann an Zusammenhalt, daran, füreinander Gas zu geben.“

Die Realität des Turniers

Aber es gibt auch noch eine andere Perspektive auf dieses kleine sportliche Desaster. Genau wie die A-Nationalmannschaft bei der WM in Katar klaffte eine gewaltige Lücke zwischen Selbstanspruch und Realität, zwischen der irgendwie aus vergangenen Erfolgen zusammengezimmerten Vorstellung von der eigenen Stärke und der wahren Leistungsfähigkeit.

Diese ganzen Rückschläge sind schwer zu verkraftenKilian Fischer

„Das ist einfach zu wenig, wenn du Europameister werden willst, wenn du dich für die Olympischen Spiele qualifizieren willst“, sagte Joti Chatzialexiou, der Leiter des Nationalmannschaftsfußballs beim Deutschen Fußball-Bund. „Wenn Du diesen Anspruch hast als Fußballnation, dann musst du anders auftreten, dann musst du mit einem gewissen Punch auch die Spiele gewinnen wollen.“

In der Realität des Turniers brachte das Team eine ordentliche Halbzeit gegen Israel zustande und eine weitere gegen Tschechien, an den Olympischen Spielen in Paris wird das Team damit nicht teilnehmen. Nie wurde diese U21 dem Bild von einem Turnierfavoriten gerecht, und die Idee, sich als Außenseiter zu betrachten und eine entsprechende Haltung zu kultivieren, hatte offenbar niemand. Dabei wird immer deutlicher, dass die deutschen Auswahlteams derzeit viel eher Underdog sind als Favoriten.

Die bittere Erkenntnis

Den Engländern „in allen Belangen unterlegen“ sei die deutsche Mannschaft gewesen, sagte Chatzialexiou am Mittwoch. Schon nach drei Minuten hatte es 1:0 gestanden, und das nachlässige Verteidigungsverhalten, das zu diesem frühen Rückstand führte, bescherte den Engländern bald einen zweiten Treffer.

Die bereits als Gruppensieger feststehenden Engländer, deren Startelf auf acht Positionen verändert worden war, wirkten wacher, schneller im Kopf und auf den Füßen, freudvoller, einfach besser, sodass Chatzialexiou am Ende grundsätzlich wurde: „Es sind genau die Themen, die wir seit Längerem im deutschen Fußball immer wieder anprangern: Spieltempo und die Eins-gegen-Eins-Situationen, da sind uns andere Nationen einfach voraus.“

Das ist die bittere Erkenntnis, die von diesem missglückten Turnier hängen bleiben wird, in dessen Verlauf der DFB immerhin eine überfällige Reform der A- und B-Jugendbundesligen beschlossen hat. Die Ausbildungsteams der Bundesligavereine können künftig nicht mehr absteigen, was mutige Spieler fördern und Misserfolgsvermeidungsfußball verhindern soll. Aber bis das Früchte trägt, werden noch einige Jahre ins Land ziehen.

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