wortwechsel
: Festung Europa: einfach pragmatisch mörderisch?

Der „Asylrechtskompromiss“ bedeutet: geschlossene Lager an den EU-Außengrenzen. Staaten mit fragwürdiger Menschenrechtslage gelten bald als sichere Herkunftsländer

Moria auf der griechischen Insel Lesbos war das größte Flüchtlingscamp in Europa. Hier lebten 20.000 Menschen. Bis es in der Nacht zum 9. September 2020 ausbrannte   Foto: Michael Bunel/Le Pictorium/imago

Fatale Fehlkalkulation

„EU-Staaten einigen sich auf Reform. Der Zugang für Geflüchtete soll verschärft werden“, taz vom 9. 6. 23

Der von Innenministerin Faeser vorgelegte Asylkompromiss mag die Konsensfähigkeit in der EU herbeigeführt haben, aber er wird die EU zur Festung machen und genau das bewirken, was er verhindern soll. An den EU-Außengrenzen werden die Grundsätze des Schengener Vertrags mit dem Versprechen geopfert, nur so Schengen zu erhalten. Je höher wir Mauern und Zäune machen, die Grenzkontrollen verschärfen und die legale Einreise massiv beschränken, desto mehr wird mit der Errichtung der „Festung EU“ die Zahl der Flüchtlinge die in die EU streben zunehmen. An den EU-Grenzkontrollen und -lagern vorbei werden Flüchtlinge vermehrt einreisen und sich nicht mehr bei den Behörden melden. Sie werden sich illegal in der EU aufhalten und sich mit illegalen Tätigkeiten durchs Leben schlagen. Dieter Faulenbach da Costa, Offenbach am Main

Wir leben in einer globalisierten Welt. Wir wollen alles von überall, alles sehen, überall hin können, zu allem etwas sagen, auf alles Einfluss nehmen. Wir haben große Werte, nach denen wir die Welt formen wollen, aber wenn dann die Welt zu uns getrieben wird, schlagen wir – wie die letzten Hinterwäldler – die Türe zu und tun so, als ob wir nichts mit ihr zu tun hätten. Zumindest dann, wenn die Fluchtursache nicht fast vor unserer Haustür liegt.

Stray auf taz.de

„Bedeutung des Asylkompromisses: Die Illusion der Kontrolle“, taz vom 17. 6. 23

Jenseits der roten Linien

Die roten Linien sind längst überschritten. Der Beweis sind Tausende von Toten im Mittelmeer. Wenn das keine rote Linie ist, wann sonst ist die menschliche Humanität an ihr Ende gekommen? Der Siegeszug der Nationalisten in der EU bestimmt darüber, was ein Menschenleben noch wert ist. Die EU-Regierungen verweigern sich, die eigenen Werte und Normen mit Leben zu erfüllen.

Thomas Bartsch Hauschild, Hamburg

So wie es ist, kann es nicht bleiben. Es fehlen bezahlbare Wohnungen, es fehlt angemessene Versorgung, es fehlen Kita- sowie Schulplätze. Es fehlt Personal. Wo sollen die zusätzlichen Menschen unterkommen? R.A. auf taz.de

@R.A. Effektiv läuft diese Argumentation darauf hinaus, Menschenrechte unter Finanzierungsvorbehalt zu stellen. Was also wäre ihrer Meinung nach beispielsweise der kritische Quadratmeterpreis, den bezahlbarer Wohnraum maximal erreichen darf bevor man Menschen, die vor Krieg, Folter und politischer Verfolgung fliehen müssen, Schutz und Hilfe verweigern sollte? Und wie viele dieser Quadratmeter der Wohnfläche, deren pro Kopf Verbrauch sich seit den 70ern verdoppelt hat, sollten wir uns ihrer Meinung nach selbst zugestehen bevor wir bereit sind, etwas von unserem Wohlstand dafür einzusetzen, das Leben anderer zu retten?

Ingo Bernable auf taz.de

Ist die EU asozial?

Wenn alle Länder der Erde die gleichen Sozialsysteme hätten, wäre der Zuzug kein Problem. Leider ist es aber so, dass 95 Prozent keinen derart umfangreichen Sozialstaat wie Deutschland haben. Vielleicht noch Dänemark, Schweden oder Norwegen. Selbst die reichen Länder USA, Kanada oder Singapur haben keinen Sozialstaat. Ganz zu schweigen von China, Indien, Indonesien, Südamerika, Afrika … Alexander Hoe auf taz.de

„Länderrat der Grünen: Der Aufstand bleibt aus“, taz vom 19. 6. 23

Das Urteil ist vernichtend: die Grünen machen sich zum Kasper der neoliberalen Ideologie, zu Abnickern und Durchwinkern einer inhumanen europäischen Flüchtlingspolitik und verleihen ihr damit höhere Weihen. Erkennen sie nicht, wie globale Klimakrise, Armut, Krieg und Fluchtmigration sowie der Marsch Europas in den Autoritarismus zusammenhängen? Abdurchdiemitte auf taz.de

Könnte man auch medial damit aufhören, Menschenrechte als verhandelbare Frage der Moral zu behandeln? Moralisch handeln kann man oder auch nicht, auf Rechte hat man einen durchsetzbaren Anspruch. Im Kontext der Abschaffung des individuellen Asylrechts geht es eben nicht um Moral, sondern um die Abschaffung dieses Rechtsanspruchs.

Hamann auf taz.de

Das Klima ist stärker als wir, es wird uns einholen und über kurz oder lang werden die meisten von uns einsehen müssen, dass Politik und Wirtschaft uns nach Strich und Faden belogen haben. Aber hier erledigen Parteien, die sich selbst als Verteidiger der sozialen, bürgerlichen und der Menschenrechte sehen, die Arbeit ihrer politischen Gegner oder gar der Feinde unserer Verfassung – auf dem Rücken wehrloser Unschuldiger. Das ist unverzeihlich! Zangler auf taz.de

Wer verdient an diesem Geschäft so unverschämt viel Geld? 720 Flüchtlinge auf einem Boot, angeblicher Einzelpreis 5.000 Euro? Das sind 3.600.000 Millionen Euro. Das Boot kostet maximal 100.000 Euro. Wer verdient an diesen Flüchtlingen 3.500.000 Millionen oder sei es nur die Hälfte – 1.750.000 Millionen? Frerk Eiting

Elend, Not und die Todesgefahren der Flüchtlinge sehen wir täglich über die Nachrichtensender, in Bild und Ton – als handle es sich um Wasserstandsmeldungen.

Regierende sind freilich in Aufregung. Was aber bewegt sie? In der Hauptsache, wie die Flüchtlinge ferngehalten werden können. Wo auf der Kriegsseite moralisiert, emotionalisiert und viel geheuchelt wird, da werden beim Asylthema Menschenrechte tagtäglich mit Füßen getreten, Menschen ihrem tödlichen Schicksal überlassen und über die Verteilung von Menschen gefeilscht.

An Werten orientiert ist diese Politik, nur nicht an menschlichen Werten.

Roland Winkler, Aue