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Archiv-Artikel

Die Stunde der Jüngeren

ANGOLA Mit seinem neuen Album möchte Angolas Ikone Bonga der Jugend seines Landes einen Rat mitgeben. Doch die hört inzwischen lieber Kuduro

VON DANIEL BAX

Der Sänger Bonga ist eine angolanische Institution: 1965 verließ er mit 23 Jahren seine Heimat, um in Portugal als Leichtathletikstar Karriere zu machen. Als Sprinter brach er einige Rekorde, als Sportler war er privilegiert: Er konnte frei reisen, um nutzte diese Möglichkeit, um Botschaften zwischen der Opposition in Angola und im Exil zu auszutauschen. Als ihm Portugals Salazar-Regime auf die Spur kam, musste Bonga nach Rotterdam fliehen. Dort, wo viele Landsleute leben, entstand sein wegweisendes Album „Angola 72“, mit dem er zum Sänger der Unabhängigkeitsbewegung seines Landes aufstieg.

Dreißig Alben hat er seit seinem Debüt „Angola 72“ veröffentlicht, seinem Stil ist er treu geblieben – er verbindet Angolas traditionelle Stile Semba und Kizomba mit lateinamerikanischen Rhythmen. Mit 70 Jahren hat Bonga nun sein Alterswerk vorgelegt. „Hora Kota“ heißt so viel wie „die Stunde der Ältesten“ und handelt davon, wie die Senioren der jüngeren Generation ihre Erfahrungen und ihr Wissen weitergeben, um das kulturelle Erbe ihres Landes zu erhalten. Auf „Hora Kora“ umwehen Bass, Gitarre und sanfte Percussions Bongas sonore, rauchige Stimme wie eine sanfte Meeresbrise, manchmal sorgt ein Akkordeon für Schwung. Bonga selbst spielt die „Dikanza“, ein längliches, reibeisenähnliches Rhythmusinstrument, das mit einem Holzstab gerieben wird. Auf den Album feiert Bonga den Karneval, das kreative Chaos und das Straßenleben Angolas. Doch Stücke wie „Kambua“ und „Kapetas“ handeln auch von der tiefen sozialen Kluft, die das Land spaltet.

Nach dem 37-jährigen Bürgerkrieg zwischen dem kommunistischen Regime des Landes und Rebellen, genießt Angola jetzt zwar einen Aufschwung, denn das Land ist reich an Bodenschätzen wie Öl und Erdgas. Aber der Wirtschaftsboom geht an der Mehrheit der Bevölkerung vorbei. Bonga sieht sich in der Pflicht, darauf hinzuweisen.

Das Problem ist nur: Die Jugend hört inzwischen lieber Kuduro. Seit 2002, als Angola zu halbwegs stabilem Frieden fand, stieg dieser billig scheppernde Techno-Beat zum Soundtrack des Wandels auf. Das Genre ist so etwas wie ein Symbol für trotzige Selbstbehauptung und rohen Überlebenswillen geworden.

Portugiesisch-angolanische DJS und Electro-Projekte wie Buraka Som Sistema aus Lissabon haben dazu beigetragen, dass der Funke auf die DJ- und Clubszene in Europa überspringen konnte. Sie haben den Kuduro skelettiert und so weit von allem Popkitsch entschlackt, dass nur noch das nackte Rhythmusgerippe übrig blieb. Diese rudimentären, gebrochenen und verschachtelten Beats motzten sie mit düsteren Dancefloor-Effekten, Sirenen, portugiesischem Rap und allen Mitteln der DJ-Kunst zu einem neuen Genre auf, das auch Kollegen wie M.I.A. oder Diplo begeisterte. „Progressive Kuduro“ nennen Buraka Som Sistema es selbst, weil es mit den ursprünglichen, eher fröhlichen Kuduro-Songs aus Angola nur noch wenig gemein hat.

■ Bonga: „Hora Kota“ (Lusafrika); Buraka Som Sistema: „Komba“ (Enchufada/Rough Trade)