: Mehr Tempo in die Sache
„Roadmap“ ist das neue Buzzword der Innovationspolitik. Beim jährlichen Forschungsgipfel (https://forschungsgipfel.de/) spielte in dieser Woche die Streckenbeschreibung für technische wie auch politische Großvorhaben eine dominante Rolle. Ging es in den Vorjahren vor allem um langfristige Strategien der Transformation, etwa für die Energie- oder die Verkehrswende, rückt nun die Frage in den Vordergrund: Wie erreichen wir eigentlich diese Ziele?
Wie Uwe Cantner, der Vorsitzende der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), erklärte, soll durch die Einführung von „Roadmaps für Zukunftsmissionen“ mehr Tempo in der Umsetzung erreicht werden. Besonders dringlich sei die Lage im Gesundheitswesen, wo in Deutschland eine Digitalisierung nur schleppend vorankomme. Aktuelles Beispiel ist die flächendeckende Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) (BID: 6143245), die als datentechnische Grundlage für eine hochwertige Gesundheitsversorgung der Allgemeinheit gilt. „Das Ziel der Bundesregierung, eine ePA-Nutzung von 80 Prozent der GKV-Versicherten bis 2025 zu erreichen, bedingt, dass sich der Nutzerkreis jährlich um rund 19 Millionen Menschen erweitern müsste“, zitierte Cantner aus einer neuen Studie. Die Realität ist aber: Seit Einführung der ePA 2021 kamen pro Jahr nur rund 0,2 bis 0,3 Millionen neue Nutzer*innen hinzu.
Ein Hemmnis zur besseren Nutzung von Patientendaten für die medizinische Forschung sei der Datenschutz, wie sich am immer noch ausstehenden „Gesundheitsdatennutzungsgesetz“ zeige, beklagte der Chef der Charité, Heyo Kroemer. Weil ein starker Trend zu digitalen Gesundheitsangeboten für Verbraucher gehe, würden diese Angebote verstärkt aus USA und China kommen und Deutschland drohe, so Kroemer, „eine Teslarisierung des Gesundheitswesens“.
Auch in einem anderen Technikbereich, der Energiegewinnung und -verteilung, ist mehr Tempo beim Umbau von fossilen zu erneuerbaren Energiequellen nötig. Dies war das zweite Hauptthema des Forschungsgipfels mit 300 Teilnehmer*innen, der jährlich vom Stifterverband und der Nationalakademie Leopoldina zusammen mit der EFI-Kommission veranstaltet wird. Die Notwendigkeit zu System-Umsteuerungen werde oft von gegenläufigen Verwaltungs-Restriktionen behindert, wurde mehrfach beklagt. „Wir kämpfen in der Wissenschaft um junge Menschen“, sagte Leopoldina-Präsident Gerald Haug. Da sei ein Wissenschaftszeitvertrags-Gesetz hinderlich, das nach drei Jahren Promotionszeit den Weg in die Wissenschaft verstelle. „Das ist kompletter Irrsinn“, entwich es Haug. Ähnlich die neue Regelung zur verpflichtenden Arbeitserfassung in der Wissenschaft. Haug: „Wir sind Opfer einer gnadenlosen Überbürokratisierung“.
Manfred Ronzheimer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen