berliner szenen: Kontraste erleben am Ku’damm
Im Schaufenster von Valentino am Ku’damm ist alles in Pink gehalten: pinke Lack-Pumps mit 15-cm-Plateau-Absätzen, pinke Handtaschen, eine pinke Robe, ein pinker Jumpsuit. Mein Vater schüttelt den Kopf: „Wer will so was denn bitte tragen? Und zu welchem Anlass ließe sich so was anziehen? Das kauft doch niemand.“
Ich muss grinsen, googele aus Spaß die Preise und meine sarkastisch: „Wieso? 980 Euro sind für Schuhe doch ein Schnäppchen!“ Mein Vater guckt entsetzt: „980 Euro? Das ist ja mehr als die Hälfte einer durchschnittlichen Rente.“
Es ist ein Sonntagmittag, wir flanieren über den Ku’damm. Mein Vater wohnt in der Gegend, ich bin dort aufgewachsen. Die Boutiquen und Designerläden gehörten immer so selbstverständlich zu meiner Realität, dass ich sie nie beachtet habe. An diesem Sonntag aber sind nicht viele Menschen auf der Straße. Außer den Schaufenstern gibt es nicht viel zu sehen.
Bei Dior ist auch Kleidung für Herren ausgestellt: Ein Leopardenmantel aus einem Nicki-Samtstoff mit passendem Käppi. Ich frage meinen Vater scherzhaft: „Wär das nicht was für dich? Kostet auch nur zwei durchschnittliche Renten.“ Mein Vater schüttelt wieder den Kopf: „Pervers. Während einige ihre Heizkosten nicht mehr zahlen können und darunter leiden, dass die Preise steigen, nicht aber die Löhne, kaufen andere so einen Unsinn.“
In dem Moment spricht mich eine fein gekleidete Frau an: „Verzeihung?“ Ich gehe davon aus, dass sie mich nach dem Weg fragen will. Doch sie hält ihre Hand auf: „Hätten Sie Geld für mich?“ Irritiert gebe ich ihr ein Zwei-Euro-Stück. Fünf Meter weiter dasselbe Spiel: Ein gut gekleideter Mann bittet um Geld. Diesmal winke ich ab: „Ich habe eben bereits einer Dame etwas gegeben.“ Und denke: „Was ist denn hier los? Edelshopping und Edelbettler?“
Eva-Lena Lörzer
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