Keine halben Sachen

Am Samstag wollen rund 200 Neonazis in der Nähe des Soldatenfriedhofs in Halbe demonstrieren. Zur Gegenveranstaltung hat sich höchste Parteiprominenz angekündigt

Mit über 3.000 Teilnehmern rechnet das Aktionsbündnis bei seiner Demo

Es hat doch eine andere Qualität, wenn Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) mit dabei ist. Obwohl sich für den vergleichsweise eher unbedeutenden Aufmarsch in der Nähe des Soldatenfriedhofs im brandenburgischen Halbe am morgigen Samstag gerade einmal 200 Neonazis angekündigt haben, hat Thierses Teilnahme am Protestzug dagegen ungeahnte Mobilisierungskräfte freigesetzt. Mit über 3.000 Teilnehmern rechnet inzwischen das „Aktionsbündnis gegen Heldengedenken und Naziaufmärsche in Halbe“ bei seiner Demonstration. Angemeldet hatten die Veranstalter anfangs lediglich einige hundert.

Auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hat sein Kommen angekündigt. Ihm wiederum wollte der PDS-Vorsitzende Lothar Bisky nicht allein das Feld überlassen. Und nun will selbst Brandenburgs Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) mitmachen.

Der CDU-Landeschef und amtierende Innenminister Jörg Schönbohm hatte zuvor noch verkündet, dass er nicht hinter einer DKP-Fahne hinterherlaufen werde und man mit einer solchen Demonstration den Rechtsextremisten lediglich ein „unangemessenes Medienecho“ verschaffe. Die CDU werde also nicht dabei sein. Wanka wird deswegen nun als Privatperson teilnehmen.

Der Soldatenfriedhof Halbe ist seit Jahren ein Wallfahrtsort für Neonazis. Alljährlich treffen sich hier Rechtsextremisten, um angeblich der rund 23.000 Soldaten zu gedenken, die bei der letzten Großoffensive der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg im April 1945 ums Leben kamen. Normalerweise findet dieser „Heldengedenktag“ am Volkstrauertag im November statt. Doch in diesem Jahr scheint der Hamburger Rechtsextremist und Daueranmelder zahlreicher Nazi-Aufmärsche, Christian Worch, diesen Zyklus durchbrechen zu wollen.

Die Neonazis selbst begründen diesen Termin mit der engen zeitlichen Nähe zum 17. Juni; sie wollen an den Volksaufstand 1953 in der DDR erinnern. Was das allerdings konkret mit dem Soldatenfriedhof in Halbe zu tun hat, wird dabei nicht ganz klar. Antifas sehen vielmehr einen Zusammenhang mit dem Konzert der Hardrock-Band „Böhse Onkelz“, das zeitgleich auf dem nahe gelegenen Lausitzring stattfindet und zu dem in der Regel auch viele Neonazis hingehen.

Arnd Reif, Anmelder der Gegendemo, sieht wiederum ganz andere Motive: Er spricht von einem „Testlauf“ für den bereits angemeldeten Aufmarsch am Volkstrauertag im November. Denn seitdem im Frühjahr das Versammlungsrecht für Neonazis verschärft wurde und sie nicht mehr vor Gedenkstätten für Opfer des Nationalsozialismus demonstrieren dürfen, sollten eigentlich auch Aufmärsche in Halbe leichter verboten werden können.

Fraglich ist jedoch, ob der Soldatenfriedhof vor Gericht tatsächlich als eine Gedenkstätte der NS-Opfer gilt. Das wollen die Neonazis nun anscheinend austesten. Aktuell ist den Neonazis lediglich eine Kundgebung auf dem abgelegenen Bahnhofsvorplatz genehmigt. Worch ist bereits vors Verwaltungsgericht gezogen. Eine Entscheidung steht noch aus.

Neben der Evangelischen Kirche haben sich im Aktionsbündnis auch die Antifa Königs Wusterhausen, ehemalige Wehrmachtsdeserteure und Vertreter sämtlicher Parteien zusammengeschlossen. Lediglich Schönbohms CDU fehlt. Bei der letzten Pressekonferenz der Gegendemonstranten äußerte sich Initiatorin Anne Böttcher sehr enttäuscht über die ablehnende Haltung Schönbohms. Aber so ganz kalt scheint ihn das ganze Promiaufgebot dann schließlich doch nicht zu lassen. Denn wie inzwischen bekannt geworden ist, wird der Innenminister am Samstag sehr wohl dabei sein. Als „teilnehmender Beobachter des Polizeieinsatzes“, wie er betont. FELIX LEE