: „Da bin ich erzkonservativ“
Josefine Paul, 23, Nachwuchspolitikerin der Grünen, setzt sich als Quotenlesbe in Männerwelten durch. Notfalls muss sie auf den Tisch hauen
INTERVIEW NATALIE TENBERG
Josefine Paul ist seit 2005 Koordinatorin des Fachforums LesBiSchwul der Grünen Jugend. Sie studiert in Münster Geschichte, Soziologie und Politik. Sie hat eine feste Freundin, die noch im gemeinsamen Heimatdorf Barmke in Niedersachsen lebt.
taz.mag: Sie leben in Münster. Es heißt, dort würden nur Kirchenglocken läuten und Züge vorbeifahren?
Josefine Paul: Das mit den Kirchenglocken stimmt. Es gibt hier eben sehr viele Studenten und Beamte, so besonders alternativ ist das nicht. Aber Münster ist schon sehr schön.
Als Jungpolitikerin kommen Sie doch auch ganz schön rum in Deutschland. Denken Sie nicht manchmal, wenn Sie in einer Metropole sind: Hier wäre es auch nett?
Ach, wissen Sie, ich war ja gerade in Hamburg wegen des CSD. Und bin danach ehrlich gesagt sehr gerne wieder weggefahren.
Wie lebt es sich denn als Lesbe in Münster, gilt man da nicht als Exotin?
In Münster gilt das vielleicht schon eher als langweilig, ist doch eine Studentenstadt. Dass ich lesbisch bin, ist den Leuten egal. Ich habe vorher auf dem platten Land gewohnt, in einem Dorf in Niedersachsen, Barmke heißt es, und da war es auch kein wirkliches Problem.
Nicht?
Na ja, da gibt es ja auch nicht viele Lesben und Schwule.
Reden die Leute auf dem Land nicht über einen?
Nein. Das war alles kein Problem. Meine Freundin lebt auch in Barmke, und ich war früher im Sportverein aktiv.
Welche Sportart?
Ich habe Fußball gespielt.
Wie sieht denn Ihr jetziger Freundeskreis in Münster aus?
Bunt gemischt. Meinen Mitbewohner etwa kenne ich noch aus der Schule.
Aha, eine WG. Sind Sie eine gute Mitbewohnerin? Was sind Sie für ein Typ?
Ich bin unorganisiert, aber nicht komplett. Ich mache mir keinen Plan, den ich dann von A bis Z durchziehe. Bei mir ergibt sich immer alles irgendwie.
Sie sind politisch sehr engagiert. Hängt das auch mit der Größe der Stadt zusammen?
Münster ist, was die Grünen angeht, eine der bestorganisierten Städte. Da hat man nicht das Gefühl: „Ich muss das machen, sonst macht das keiner.“ Das würden die auch ohne mich hinkriegen. Aber ich kenne diese Haltung durchaus – aus meiner Kindheit in der Kleinstadt. Meine Eltern haben sich immer für alle möglichen Belange eingesetzt. Da hieß es oft: „Wenn wir es nicht machen, dann macht es doch keiner.“ Wenn man damit aufgewachsen ist, dann ist der Schritt nicht mehr ganz so weit, dass man sich sagt: „So, dann muss ich mich auch engagieren.“
Das ist dann der Bürgersinn der Kleinstadt.
Das mag schon sein, dass es auch etwas mit der Kleinstadt zu tun hat.
Welches Standing hat man als Lesbe bei den Grünen?
Ich engagiere mich in einer Arbeitsgemeinschaft zusammen mit den Schwulen, was ja auch sehr sinnvoll ist, weil ich überall immer die Quotenlesbe bin und ich mich sonst immer nur mit mir alleine treffen würde.
Gibt es zwischen Schwulen und Lesben bei den Grünen Rivalitäten um die Aufmerksamkeit?
Und ob! Das ist mir auch bei der Diskussion letzte Woche in Hamburg beim CSD aufgefallen. Da ging es um Medien und Homosexuelle. Da saßen wieder einmal lauter Männer – und ich als Quotenlesbe. Dann reden sie die ganze Zeit von Schwulen. Als lesbische Frau ist es dann schwierig, weil man in Männerwelten gar nicht mehr vorkommt. Das ist natürlich auch bei den Grünen manchmal so.
Macht Sie das wütend?
Da muss man manchmal mit der Faust auf den Tisch hauen und sagen: „So. Und jetzt reden wir mal über lesbische Frauen.“ Sicher ist es auch ein Wahrnehmungsproblem von lesbischen Frauen. Für Schwule gibt es Kategorien oder Schubladen wie „Schwule Männer sind ja ein ganz hübsches Accessoire, das man als heterosexuelle Frau unbedingt braucht.“ Schwule gelten als lustige Partyleute – und die Lesbe an sich, die man sich so vorstellt, ist das eben nicht. Es gibt da einen gewissen Makel. Während Klaus Wowereit problemlos sagen kann: „Ich bin schwul, und das ist auch gut so“, hat allein der Verdacht, lesbisch zu sein, Annette Schavans Karriere fast umgeworfen.
Glauben Sie, das wäre ihr in Berlin, Hamburg oder Köln auch passiert?
Ich glaube, wäre sie nicht bei der CDU, dann wäre es ihr nicht passiert. Und dann auch noch in so einem konservativem Bundesland wie Baden-Württemberg. Es ist der öffentlichen Wahrnehmung von Lesben nicht dienlich, wenn Annette Schavan so in die Ecke getrieben wird. Und dann sagt sie auch noch „Ich verspüre da keine Neigung“ – als sei das etwas Anrüchiges. Dabei war anrüchig, ihr Privatleben als Gerücht zu verbreiten und zu unterstellen: „Das ist aber irgendwie schlecht.“ Sie hat auch völlig bescheuert reagiert, das hat niemandem geholfen: „Ihr habt ja Recht, das ist ja wirklich anrüchig.“
Prominente Lesben, die sich coram publico outen, sind ohnehin selten. Warum gilt das in besonderem Maß für Spitzenpolitikerinnen?
In der Politik begegnet man allgemein kaum geouteten Lesben. Entweder weil es einfach keine gibt oder weil sie sich nicht outen wollen. In letzter Zeit hat es schwulen Männern immer geholfen zu sagen: „Ich bin schwul.“ Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, haben da noch immer ein Problem, weil sie glauben, dass es sie auf diese Klischees festlegt. Und die sind ja für Lesben nicht so spektakulär.
Die da wären?
Die Lesbe an sich, die spielt immer Fußball, die hat immer so komische Klamotten an, die ist cool und gefährlich und sowieso doof.
Nun, einen doofen Eindruck machen Sie nicht … Was sind Ihre Zukunftspläne?
Ich würde gerne noch mal woanders leben. Eigentlich mache ich mir nicht so viele Gedanken darüber.
Also sind Sie noch nicht ganz verloren für die Metropolen? Vielleicht doch noch nach Berlin?
Für mich wäre es nichts, nach Berlin zu gehen. Da sind so viele Leute aus der Provinz, die sich gedacht haben, sie wollen mal in die große Stadt, Berlin soll so doll sein. Das mag ich nicht.
Es ist ja auch manchmal schön, wenn es idyllisch ist.
Ich glaube, ich bin die absolute Spießerin. Ich habe es gerne, dass es dort, wo ich wohne, okay ist, dass man nicht auf dem Heimweg vergewaltigt wird. Österreich! Da würde ich gerne mal wohnen, da ist es so schön!
Kann es sein, dass Sie nicht spießig sind, sondern wenn es Ihre Lebensumstände betrifft, eher konservativ?
Was so etwas angeht, bin ich sogar erzkonservativ!
NATALIE TENBERG, 29, lebt als Journalistin in Berlin