: Humorlos heruntergespielter Stiefel
KONZERT Die holländische Hausbesetzer-Postpunkband The Ex spulte ihr Programm am Samstag im Magnet Club ohne Überraschungsgäste ab und leider auch ohne Überraschungsmomente
Es stand noch 0:0 im Champions-League-Finale zwischen Bayern München und Chelsea, als die Amsterdamer Postpunk-Band The Ex die Konzertbühne des Magnet Clubs betrat. Völlig unberührt von dem Fußballspektakel wirkten Musiker und Publikum, nur in der Bar des Clubs blickten ein paar gelangweilte Neuseeländer auf einen Fernseher, verfolgten, wie die Bayern Chance um Chance versiebten, und einigten sich schnell darauf, dass Rugby eindeutig spannender ist als die Mannschaftssportart mit dem runden Ball.
Das eigene Ding durchziehen und sich nicht von irgendwelchen Hypes ablenken lassen, darin waren The Ex, die es bereits seit 1980 gibt und deren Wurzeln im Punk liegen, schon immer gut. Sie begannen als Teil der Amsterdamer Hausbesetzerszene und boten dieser zu Beginn damals Postpunk, um sich schon bald den immer schaler werdenden musikalischen Klischees zu widersetzen und freier und vielschichtiger zu werden.
Beinahe konkurrenzlos
Heute kann man The Ex vielleicht als dienstälteste Punkband bezeichnen, die all die Jahre ihres Bestehens immer originell war. Beinahe konkurrenzlos hat sie sich diesen Titel verdient. Sie hat mit dem Avantgarde-Cellisten Tom Cora gemeinsam Alben aufgenommen, die unterschiedliche musikalische Welten nicht fusionierten, sondern aufeinanderkrachen ließen. Sie spielt regelmäßig gemeinsam mit äthiopischen Musikern, aber nicht um den eigenen Sound zu exotisieren, sondern um sich auszutauschen, wie die politisch korrekte und sich immer noch dezidiert linkspolitische Band stets betont.
The Ex waren in Äthiopien sogar auf ausgedehnter Tournee und leisten sich immer wieder Nebenprojekte zusammen mit Musikern der holländischen Free-Jazz-Szene, um nicht in Routine zu erstarren. All dies, das Konzept einer Band, von deren Basis aus immer wieder neue musikalischen Territorien ausgelotet werden, erinnert an Sonic Youth, nur deren Bekanntheitsgrad ist eben ein ganz anderer.
Auch musikalisch fiel einem die New Yorker Band immer wieder ein bei dem ganzen Geschrammel und dem komplexen und druckvollen Gitarrenspiel, das The Ex bei ihrem Konzert im Magnet boten.
Allerdings war es etwas schade, dass so wenig von der aufregenden Bandgeschichte und den musikalischen Idiosynkrasien, die sich die holländische Band so gerne leistet, in ihren Auftritt am Samstag einwirkte. Man hatte keinen afrikanischen Trommelspieler oder holländischen Saxofonisten als Gastmusiker dabei, keine Unruhestifter mit Streichinstrumenten oder sonst eine schattige Figur aus dem Kuriositätenkabinett.
Viel graues Haar
Stattdessen wurde der Postpunktstiefel humorlos heruntergespielt, wie er seit ein paar Jahren auch bei jungen Bands wieder so angesagt ist, nur dass bei The Ex niemand schicke Frisuren oder Anzüge trägt, sondern graues Haar, schlichte Jeans und irgendetwas obenrum.
All das, was diese Band so besonders macht, deutete man kaum an und gab ein Konzert, das unter den eigenen Möglichkeiten blieb. Wer hohe Erwartungen an diesen Auftritt hatte, wurde enttäuscht. Womit wir dann doch noch einmal beim Spiel des FC Bayern München angelangt wären. ANDREAS HARTMANN