: Gerhard Torges tritt der Querdenker-Bewegung entgegen
Es ist Ende 2021, als Gerhard Torges ein Video aufs Handy geschickt bekommt und sein neustes politisches Betätigungsfeld begründet. Das Video zeigt eine der samstäglichen Querdenker-Demos in Osnabrück. Was er damals dachte, weiß Torges noch gut: „Seltsame Gestalten! Das siehst du dir nächstes Mal an!“ Torges geht hin, stellt sich an die Demo-Route mit einem Megaphon und widerspricht den Parolen der Corona-Marschierer lautstark. Mit Anfeindungen reagieren sie auf ihn. „Friede, Freude, Eierkuchen war das da nicht“, sagt er heute.
2.500 Teilnehmer hatte die Querdenker-Demo seinerzeit. Torges wusste: Dagegen muss er etwas tun. Also rief er Gegen-Demos ins Leben. Diese Bekanntheit hatte schon ihren Preis: Der Staatsschutz erklärte ihm, dass es eine Morddrohung, per Sprachnachricht, auf Telegram gegen ihn gegeben habe. Die Polizei erklärte ihm, worauf er achten muss, sobald er das Haus verlässt.
Aber Torges ist kein Mann, der sich einschüchtern lässt. „Das war ein kleines rechtes Würmchen, das sich mal stark fühlen wollte. Angst hatte ich eigentlich nicht.“ Mittlerweile hat Torges wieder mehr Ruhe für seinen Job als Musiklehrer, für Gitarre und Saxophon. Die Osnabrücker Querdenker-Szene ist stark geschrumpft. Höchstens 100 Leute kommen noch.
In Berlin sieht das noch etwas anders aus. Dort plante im November der Impfgegner Björn „Banane“ Winter eine Demo. Jedoch war er selbst verhindert und suchte über Telegram jemanden, der ihn als Versammlungsleiter vertritt. Torges schreibt ihm, mit voller Namensnennung, und bietet sich an. Winter nimmt an, ohne zu prüfen wer Torges ist. Und Torges sagt bei der Polizei die Veranstaltung ab. Eine Realsatire.
Auch einen Autokorso der Querdenker hat er mal ausgebremst: „Ich bin mitgefahren und hab eine Lücke für einen Bus gelassen“, lacht er. „Der hielt dann natürlich überall.“ Doch gesellschaftspolitisch aktiv ist er nicht erst seit Entstehen der Querdenker-Bewegung: 2015, als während der Syrienkrise bundesweit Flüchtlingsheime angegriffen wurden, hat er die „Aktion Arschloch“ durchgezogen: Innerhalb von 13 Tagen hat er den über 20 Jahre alten „Die Ärzte“-Song „Schrei nach Liebe“ auf Platz 1 der Charts katapultiert, per Aufruf über Goople+, Twitter, Website, Facebook. Sogar die „Washington Post“ berichtete.
Zwar glaubt er weiterhin, dass seine Aktionen für ein Umdenken sorgen können. Aber manchmal kommen ihm Zweifel: „Früher hatte jedes Dorf seinen Deppen. Das globale Dorf von heute hat durch Social Media plötzlich ganz viele.“ Harff-Peter Schönherr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen