piwik no script img

berliner szenenÄrgerlich, wie sehr es ärgert

Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann muss das auch so passieren. Zumindest probiere ich es solange, bis meine Kräfte schwinden oder ich erkenne, dass es gar nicht so wichtig ist. Das kann natürlich auch Vorteile haben, etwa wenn es um berufliche Projekte oder etwas Sinnvolles geht. Doch meistens handelt es sich dabei um Banalitäten, die wiederum von sinnvollem Handeln ablenken.

Ein Beispiel von gestern: Ich stehe am Mehringdamm, warte auf die U-Bahn und sehe am Gleis eine Frau mit außerordentlich schönen Stiefeln. So starre ich auf diese Stiefel, überlege, ob ich sie fragen soll, woher sie diese schönen Stiefel hat, denke so lange darüber nach, bis meine U-Bahn einfährt und ich einsteige. Die Frau mit den schönen Stiefeln hat auf eine andere U-Bahn-Linie gewartet, meine Chance, sie anzusprechen, ist hiermit vertan. Ich bereue es sofort und beginne noch in der U-Bahn nach genau diesen Stiefeln im Internet zu suchen. Natürlich finde ich sie nicht, was mich ärgert. Noch mehr ärgere ich mich, dass ich mich über so eine Nichtigkeit ärgere. Was sind schon Stiefel, wenn es Kriege und Krankheiten und die Klimakrise gibt. Im Grunde genommen geht es gar nicht mehr um die Stiefel, sondern darum, dass ich denke, falsch gehandelt zu haben. Hätte ich doch einfach die Frau am Mehringdamm angesprochen, wäre alles nicht der Rede wert gewesen.

So ähnlich erging es mir vor Kurzem im jordanischen Petra. Zutiefst beeindruckt von der antiken Felsenstadt, eines der sieben neuen Weltwunder, treffe ich auf einen von einer Beduinin gewebten Mini-Teppich aus Kamelwolle mit zwei abgebildeten Kamelen. Erst als ich schon viel zu weit weg bin, bereue ich die Entscheidung, den Teppich nicht gekauft zu haben. Es gibt noch viel zu lernen. Eva Müller-Foell

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen