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Archiv-Artikel

„Wir sind kulturell weit weg von den Bauern“

Beim Deutschen Bauerntag in Rostock rechnet die Lobby der Landwirte mit Rot-Grün in Land und Bund ab. Doch nicht alle fühlen sich vom Verband repräsentiert. Der grüne Biobauer Friedrich Ostendorff im Gespräch mit der taz

taz: Herr Ostendorff, im vergangenen Jahr haben fünf Prozent der Landwirte in NRW ihren Betrieb aufgegeben. Hat die rot-grüne Agrarpolitik den Bauern ihre Zukunft geraubt?

Friedrich Ostendorff: Allein wegen des Strukturwandels schließen bei uns jedes Jahr etwa vier Prozent der Betriebe. Dass es jetzt fünf Prozent waren ist zu viel und das muss sich wieder ändern. Aber das liegt einfach auch an den Veränderungen in der europäischen Landwirtschaftspolitik: Betriebe, die schon länger an Aufgabe gedacht haben, haben sich jetzt eben dazu entschieden.

Aber hat Rot-Grün den Bauern denn etwas Positives gebracht?

Mit Rot-Grün haben wir es geschafft, in Europa notwendige Reformen auf den Weg zu bringen. Wir subventionieren jetzt nicht mehr die massenhafte Überproduktion: das Motto lautet `Weg vom Butterberg, hin zur Flächeförderung`. Schließlich erhalten und pflegen Bauern die Kulturlandschaft. Dass das jetzt gefördert wird, ist ein Verdienst der grünen Ministerinnen Höhn und Künast.

Franz-Josef Möllers, der Präsident des Westfälisch-Lippischen Bauernverbands, sieht das anders. Er sagt, dass die Bauern jetzt endlich von Agrarministerin Bärbel Höhn `befreit` worden seien.

Ich habe mich auch gefragt, warum er so etwas sagt. Und bisher habe ich noch nichts gefunden, was wir Grünen wirklich falsch gemacht haben. Ich glaube, es ist ein kulturelles Problem: Wir sind kulturell so weit weg von den Bauern, dass wir ihnen auch doppelt so viel Geld auszahlen könnten – sie würden uns trotzdem nicht wählen. Es ist doch faszinierend, dass noch kein Minister dem ländlichen Raum so viel Geld verschafft hat wie Bärbel Höhn! Und trotzdem gibt es immer wieder die schlimmsten Angriffe der Landwirte gegen die grünen Ministerinnen, oft völlig unter der Gürtellinie.

Aber es gibt ja auch konkrete Vorwürfe der Bauern, zum Beispiel dass in Deutschland die EU-Richtlinien oft noch verschärft würden und deutsche Bauern deshalb einen Wettbewerbsnachteil hätten.

Das ist immer nur Gefasel! Es gibt niemanden, der das konkret belegen kann. Außerdem sind es ja die Bauern selbst, die sich gegen die 1:1-Umsetzung der EU-Richtlinien wehren. Geht es etwa um polnische `Billigarbeiter`, dann sollen die bloß nicht die gleichen Rechte haben wie Deutsche. Wir tun außerdem immer so, als gäbe es in Deutschland die strengsten Umweltvorschriften und als seien alle anderen die größten Saubeutel, die die Fläche verschmutzen, aber das ist ein Märchen.

Doch vor allem kleine Betriebe klagen über die Belastung durch bürokratische Vorschriften.

Die Vorschriften sind notwendig, um die Qualitätsstandards einzuhalten. Das ist doch unser Standortvorteil! Über den Preis können wir auf dem Weltmarkt kaum konkurrieren, es wird immer Länder geben, die billiger produzieren.

Was wird sich unter einer schwarz-gelben Landes- und demnächst vielleicht auch Bundesregierung für die Landwirte ändern?

Es würde einen Roll-Back geben. Die CDU hat ja schon angekündigt, aus der Förderung des Biolandbaus auszusteigen. Außerdem will sie `freie Fahrt` für die Gentechnik in der Landwirtschaft. Das wird keine Bauernbefreiung, sondern eine Unterjochung unter die Interessen der Gentech-Industrie. Für den Konsumenten wird das schrecklich, denn der Verbraucherschutz spielt dabei offenbar keine Rolle mehr. Außerdem hat die CDU darin überhaupt keine Kompetenz. An der EU-Politik wird die CDU jedoch nicht viel ändern können.

Aber spätestens seit dem gescheiterten Gipfel gibt es in der EU kaum noch Einigkeit über die Agrarausgaben. Tony Blair hat es als „sinnlos“ bezeichnet, dass 40 Prozent des EU-Haushalts in die Landwirtschaft fließen.

Blair hat eine notwendige Diskussion angestoßen. Es muss im Agrarhaushalt zu einer Umschichtung der Fördergelder kommen. Es kommt darauf an, die Gelder effektiv für eine moderne und umweltverträgliche Wirtschaftsentwicklung im ländlichen Raum einzusetzen. Wer wie die CDU an der alten Subventionslogik festhält, fährt die EU-Agrarpolitik gegen die Wand.

Interview: Ulla Jasper