: Provisorische Unterkünfte wieder Regelfall
Beobachter warnen vor Angriffen auf Einrichtungen
In diesem Jahr haben rund 40 Prozent mehr Menschen einen ersten Asylantrag in Deutschland gestellt als im Vorjahr. Bis Ende Oktober registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge etwa 140.000 solcher Anträge, wenn man die in Deutschland geborenen Kinder unter einem Jahr nicht einrechnet.
Für die Kommunen und Landkreise, die die Menschen unterbringen müssen, kommen zwei Dinge zusammen: der Anstieg der regulären Schutzsuchenden und eine zunehmende Zahl von Ukrainer:innen. Von denen waren viele nach Kriegsbeginn zunächst in privaten Wohnungen untergekommen oder konnten sich selbst welche anmieten. Doch immer mehr mussten diese Quartiere verlassen und sind nun auf staatliche Unterkünfte angewiesen.
Die Bundesländer bereiten sich deshalb auf weiter ansteigende Zahlen vor und richten teils Zelte und Messehallen zur Unterbringung ein.
Auf eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes antwortete die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, dass immer mehr Kommunen an einen Punkt kommen, an dem sie neu eintreffende Personen „nur noch auf Notplätzen unterbringen können“.
Die Hamburger Innenbehörde erklärte, mehr als 99 Prozent der Plätze in der Hansestadt seien belegt, es werde bereits auf Hallen und Zelte zurückgegriffen.
Bezogen auf die Erstaufnahmen hieß es aus Berlin, die Unterkünfte seien mehr als voll belegt. Derzeit warteten knapp 3.000 Menschen auf eine Unterbringung in den beiden Ankunftszentren der Bundeshauptstadt. Am Ukraine-Ankunftszentrum in Tegel seien bereits zwei 400-Personen-Zelte in Betrieb, weitere Notunterkünfte sollen errichtet werden. Auch seien bereits zahlreiche stillgelegte Containerunterkünfte wieder in Betrieb genommen worden.
Sachsen-Anhalt warf dem Bund vor, keine verlässlichen Prognosen über die Ankunft Asylsuchender vorzulegen. In den vergangenen Jahren reisten in den Herbst- und Wintermonaten besonders viele Menschen auf der Suche nach Schutz in Deutschland ein.
Das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern erklärte ähnlich wie Niedersachsen, die weitere Entwicklung lasse sich „unmöglich seriös vorhersagen“. Mit einer Entspannung der Lage sei aber nicht zu rechnen.
Die Amadeu-Antonio-Stiftung fordert derweil, die Polizei müsse vor Asylunterkünften häufiger patrouillieren. Nach den mutmaßlichen Brandanschlägen auf Flüchtlingseinrichtungen in Groß Strömkendorf bei Wismar und in Bautzen müssten nicht nur private Sicherheitsunternehmen, sondern auch die Polizei für mehr Sicherheit sorgen, sagte der geschäftsführende Vorstand der Stiftung, Timo Reinfrank.
Im vergangenen Jahr hätten sich täglich zwei flüchtlingsfeindliche Vorfälle ereignet, so Pro Asyl unter Berufung auf Zahlen des Bundeskriminalamtes (BKA) – die Dunkelziffer ist dabei nicht eingerechnet. Immer mehr Geflüchtete müssten in Lagern, Provisorien und Notquartieren leben, sagte der Europa-Referent von Pro Asyl, Karl Kopp. Er nannte diese Unterkünfte „Orte des Elends“, die „leicht zu Anschlagszielen“ würden.
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