: Bankgeheimnis weniger geheim
Am 1. Juli tritt die EU-Zinsrichtlinie in Kraft. Konten im Ausland werden heimischen Finanzämtern gemeldet. Ausnahmen gelten ausgerechnet in den Steuerparadiesen
BERLIN taz ■ Für die Bundesregierung ist die EU-Zinsrichtlinie, die nach jahrzehntelangem Ringen am 1. Juli in Kraft tritt, ein „großer Durchbruch“. Die Steuerflucht auf Konten in Luxemburg oder der Schweiz soll künftig nicht länger lohnen. Theoretisch jedenfalls.
Kern der Richtlinie ist die automatische Informationsweitergabe über Zinserträge von Privatpersonen an das jeweilige Heimatland. Italienische oder polnische Banken etwa machen künftig den deutschen Finanzbehörden eine Kontrollmitteilung, wenn ein deutscher Bürger bei ihnen ein Konto unterhält – und umgekehrt. Allerdings gehen Steuerflüchtlinge selten nach Italien oder Polen.
Luxemburg, Österreich und Belgien aber haben sich zusammen mit anderen europäischen Steueroasen wie der Schweiz eine Ausnahme ausbedungen, um ihr lukratives Bankgeheimnis zu retten. Sie verweigern sich dem Informationsaustausch und erheben stattdessen eine anonyme Quellensteuer, die von anfangs 15 auf 35 Prozent ab 2011 ansteigt – immer noch weniger als die Einkommensteuern, die Gutverdiener sonst auf die Zinseinnahmen zahlen müssten, theoretisch zumindest.
Aber selbst diese Steuern lassen sich vermeiden, etwa durch eine Portfolio-Umschichtung: Die Richtlinie erfasst keine Anleihen von vor 2001 und keine Dividenden oder Aktienkursgewinne. Oder man gründet eine Firma oder Stiftung, denn die Richtlinie gilt nur für Privatpersonen. Oder man bittet die Bank, das Konto weit weg von der EU, etwa in Singapur, zu führen.
Finanzstaatssekretärin Barbara Hendricks hielt sich deshalb gestern bei der Vorstellung der Zinsrichtlinie bedeckt, was die erwarteten Einnahmen für den deutschen Fiskus anbelangt: „Es sind keine Beträge in die Haushaltsplanung eingestellt.“ Zu frisch ist noch die Erinnerung an das Fiasko mit der Amnestie für rückkehrwillige Steuerflüchtlinge, von der das Finanzministerium Einnahmen von 5 Milliarden Euro erwartete. Nicht mal eine Milliarde ist es geworden.
Für Sven Giegold, den steuerpolitischen Sprecher von Attac, ist die ganze Richtlinie so „nur symbolische Politik“. EU-weite Regelungen hätten keine Chance, weil in Steuerfragen nach wie vor einzelne Staaten wie Luxemburg Vetorecht haben. „Wir können nicht warten, bis auch die letzte Steueroase bereit ist, ihr Geschäft aufzugeben“, so Giegold. Die Bundesregierung müsse vielmehr den bilateralen Druck massiv verstärken. Staaten wie Deutschland, Frankreich oder Spanien, die am meisten durch die Steuerflucht verlieren, müssten sich zusammentun, um selbst Maßnahmen gegenüber den Steueroasen zu ergreifen.
NICOLA LIEBERT