wortwechsel
: Kapitalismus, Dinos, Kunst und Kartoffelbrei …

Die „Letzte Generation“ organisiert öffentliche Aufmerksamkeit für die Klimakatastrophe mit ungewöhnlichen Mitteln. Viele taz LeserInnen verteidigen die Motive der jungen AktivistInnen

Aufstand der „Letzten Generation“, Dino-Aktion im Naturkundemuseum, Berlin, 30. 10. 2022 Foto: Foto:  Stefan Müller/picture alliance

Wacht ihr bitte auf?

„Klebe-Aktion wird teuer“,

taz vom 27.10.22

Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden haben also die Schäden der Klebe-Aktion der „Letzten Generation“ penibel beziffert. Teuer? Die Diskrepanz zwischen diesen Schäden und jenen, gegen die sich die Aktion gerichtet hat, ist abgrundtief.

Das zeigt, dass auch mancherorts in der Kunstszene genau das herrscht, was zu überwinden sie ständig vorgibt: gnadenloses Spießertum, das nicht lernen will.

Rolf Oesterlein, Nieder-Olm

„Nach Attacken auf Gemälde: Museen besorgt über Klima-Aktivisten“,

taz vom 29. 10. 22

Wer mit Kartoffelbrei auf Glasscheiben (!) wirft, ist böse? Es geht um das Gleichnis zwischen beliebter Kunst und ignoriertem Heimatplaneten. Strategisches Missverstehen zur Diskreditierung des politischen Gegners ist ein beliebtes Spiel, so schön bequem ersetzt es oft die inhaltliche Debatte. Ein Freund der Erde, taz.de

Es ist viel einfacher sich über junge Menschen aufzuregen, die mit Kartoffelbrei „bewaffnet“ durch Museen laufen und für ihre Zukunft kämpfen, anstatt sich mal darüber Gedanken zu machen, wer für den Klimawandel eigentlich verantwortlich ist. Ricky-13, taz.de

„Klima-Aktivistinnen beschmutzen Gemälde: Van Gogh mit Tomatensuppe“, taz vom 14. 10. 22

Bitte erläutern Sie, weshalb Sie kriminelle Vandalen als Aktivisten bezeichnen. Welche Aktivität ist außer Sachbeschädigung zu erkennen? Würden Sie auch Randalierer als Aktivisten bezeichnen, die andere politische Ziele erpressen wollen – Verlängerung von AKW-Laufzeiten oder Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern? Thomas Schreiber, Berlin

„Die These: Mit Essen spielt man nicht. Immer wieder werden Lebensmittel für Protest genutzt. Dabei ist Essen etwas Wertvolles!“, taz vom 29. 10.22

Wer spielt hier womit?

Diejenigen die mit dem Essen spielen, sind nicht diejenigen, die Tomatensuppe für ihren Protest benutzen, sondern die, die durch ihre Politik und ihr Wirtschaften bereits jetzt massive klimabedingte Hungersnöte auslösen. Marmotte27, taz.de

Glasscheiben bekleckern ist also „Kulturbarbarei“? Guzman, taz.de

Alle Beteiligten – auch der Autor – müssen aufpassen, dass das alles nicht komplett lächerlich wirkt. Vanessa M., taz.de

Falls sich mal wieder jemand aus Protest selbst verbrennt, wird es dann natürlich heißen: Aber doch nicht mit Benzin! Fossil ist igitt. Wenn schon Selbstverbrennung, dann mit E-Fuels! Oder der verzweifelte Protestierende verbrutzelt sich gleich mit Ökostrom … Nansen, taz.de

„Twitter und Aufmerksamkeit: Weltrettung wird nicht getwittert. Die Bad Boys der Welt beherrschen das Spiel der negativen Aufmerksamkeit. KlimaaktivistInnen ziehen jetzt nach mit Kartoffelbrei – gut so!“, taz vom 28. 10. 22

Wer Verständnis sucht, sollte Menschen nicht mit dem Brett vor den Kopf hauen. Wer glaubt, auf die passende (Eigen-)Werbung kommt es an, kann so „verstaubte“ Einrichtungen wie die taz oder andere Medien, die für freie Berichterstattung stehen, gleich abschaffen. Dann entscheiden in Wahlen demnächst nur noch die schönsten (Photoshop-)Bilder, oder dein persönlicher Avatar. Phillipo1000, taz.de

„Und was tust du?“

„Tatjana Söding über die jüngsten Aktionen der Klimabewegung: Besser alle mitnehmen“, taz vom 28. 10. 22

Wir alle sind in der Verantwortung! Und dass die Aktionen vorsichtig radikaler werden, hängt ja vor allem damit zusammen, dass die „braven“ Aktionen nichts bewirkt haben und sogar von den öffentlich-rechtlichen Medien kaum noch wahrgenommen werden. Wie wäre es, wenn Frau Söding selbst mal aktiv werden und vielleicht eine der von ihr angedachten Aktionen organisieren würde? Kochen für die Tafeln, ins Gespräch kommen mit den angeblich nicht mitgenommenen Menschen? Das würde meinen Respekt finden; das Herummäkeln an engagierten jungen Menschen dagegen nicht.

Jörg Wiedemann, Stuttgart

„Schrumpfen statt Wachsen. Klimaschutz ist nur möglich, wenn Kapitalismus und Wachstum enden“,

taz vom 17. 9. 22

Sehr geehrte Frau Herrmann, lieben Dank für Ihre Bemühungen, uns einmal Funktionsweisen und Geschichte des Kapitalismus näherzubringen.

Was mir daran gefällt ist, dass mir noch einmal eine Bewertungsgrundlage zur Überprüfung der eigenen Haltung zu aktuellen strittigen Fragen und der eigenen Position in Sachen Klimapolitik mitgegeben wird. Als Durchschnittsbürgerin, die zwar auf eine recht passable Allgemeinbildung zurückgreifen kann, aber wenig firm darin ist, die ganzen wirtschaftlichen Zusammenhänge zu begreifen, ist mir solch solides Handwerkzeug wichtig, um (m)einer tendenziösen Kommentierung des aktuellen Zeitgeschehens entgegenwirken zu können.

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Konträre Kommentare

„Gutes Vorbild: Kämpfen für Selbstverständlichkeiten: Während die Letzte Generation halb Deutschland in Rage treibt, will sie im Grunde nur, was alle wollen sollten“ stand in einem Kommentar im taz Archiv. In einem anderen lese ich das krasse Gegenteil: „Verhöhnung der Demokratie. Dass die ‚Letzte Generation‘ Autofahrer mit Straßenblockaden festhält, ist anmaßend. Die Feuerwehr ohne echten Notfall zu alarmieren, gefährdet Leben“, auch ein Kommentar. Auch wenn ich davon ausgehe, dass es sich um die persönliche Meinung der Autoren handelt, irritiert mich dieser Quantensprung zwischen „Bravo!“ und „Vernichtung“ doch sehr. Name ist der Redaktion bekannt