piwik no script img

Sturz in die Tiefe auf der Brücke von Morbi

Über 140 Menschen sterben in Indien beim Einsturz einer frisch sanierten Hängebrücke im Westen des Landes. Die Suche nach Verantwortlichen läuft, es gibt erste Festnahmen

Rettungsboote suchen auf dem Fluss unter der zerstörten Brücke nach Überlebenden Foto: reuters

Aus Mumbai Natalie Mayroth

Als die Seile nachgaben, befanden sich auf der Fußgänger-Hängebrücke in Morbi, Westindien, mehrere Hundert Menschen. Viele posierten für Schnappschüsse, als die Kons­truk­tion am Sonntag in die Tiefe stürzte und mit ihr über 140 Menschen in den Tod riss. Es sind Handyaufnahmen dieser Tragödie, die sich im Netz verbreiteten, ebenso wie die Trauer und das Unverständnis, wie eine frisch sanierte Brücke so schnell zu einer so großen Tragödie an einem beliebten Touristenziel führen konnte.

Eigentlich wollten die Besucher, darunter viele Familien, mit diesem Ausflug das Ende des Lichterfestes Diwali ausklingen lassen. Doch sie fielen aufeinander oder ertranken im Fluss Machchhu. Nicht alle konnten Richtung Ufer schwimmen und sich so retten. Die Sorge besteht, dass die Zahl an Opfern noch steigen wird, da es bisher noch viele Vermisste geben soll. Knapp 50 Kinder sollen sich unter den geborgenen Opfern befinden, berichten lokale Medien. Für umgerechnet 85 Cent wurden Eintrittskarten verkauft. Zugelassen soll die Brücke für etwa 150 Personen gewesen sein, was am Sonntag aber wohl bei Weitem überschritten wurde, was sich daran ablesen lässt, dass rund 177 Menschen gerettet wurden.

Während die traumatisierten Überlebenden in öffentlichen Krankenhäusern behandelt werden, wurden neun Personen verhaftet. Unter ihnen befinden sich neben Ticketverkäufern und Sicherheitspersonal auch Mitarbeiter von Oreva, dem Unternehmen, das die Brücke erneuert hatte. Oreva hatte bisher keine Erfahrung im Bauwesen, dagegen Erfahrung in der Herstellung von Elektronik, Uhren oder Glühbirnen.

Laut dem Sender NDTV sollen mehrere Sicherheitsauflagen fahrlässig übergangen worden sein. Zudem fehlte für die Brückeneröffnung wohl auch die Tauglichkeitsbescheinigung der Stadtverwaltung. Die 233 Meter lange Brücke in Morbi wurde 1879 unter den Briten eröffnet. Auf der Webseite des Tourismusamts von Gujarat wird die Brücke als „künstlerisches und technisches Wunderwerk“ aus vergangener Zeit beworben. Vier Tage bevor sich das Unglück ereignete, wurde sie nach verkürzten Reparaturarbeiten von sieben Monaten wieder eröffnet.

Rettungsarbeiten sowie die Untersuchungen gegen das Unternehmen laufen. Die Frage nach Schuldigen wird in indischen Medien heftig diskutiert. „Einsturz der Morbi-Brücke: höhere Gewalt oder Betrug, Herr Modi?“, äußerte sich der bekannte Anwalt Prashant Bhushan auf Twitter. Andere kritisieren die weit verbreitete Korruption besonders bei Infrastrukturprojekten.

Das Tourismusamt bewirbt die Brücke als „künstlerisches und technisches Wunderwerk“

Lokale Politiker wie Jignesh Mevani von der Kongresspartei wollten den Unfall nicht politisieren, äußerten sich jedoch sehr bestürzt. „Wir sollten äußerst vorsichtig sein, wenn wir Unternehmen mit Reparaturarbeiten beauftragen“, mahnte er.

Premierminister Narendra Modi, in dessen Heimatbundesstaat sich die Tragödie abspielte, versprach noch am Sonntag Entschädigungszahlungen in Höhe von umgerechnet 2.450 Euro für Angehörige der Verunglückten sowie 610 Euro für Verletzte. Modi ordnete zudem an, dass Betroffene jegliche Hilfe bekommen sollten. Der Premier wird am Dienstag am Unfallort erwartet. Im Dezember wird hier eine neue Regionalregierung gewählt.

Das Unglück könnte sich negativ für Indiens Regierungspartei BJP auswirken. Dabei glänzte der Bundesstaat Gujarat zuletzt. In den letzten drei Monaten hat der Nachbarbundesstaat Maharashtra vier große Industrieprojekte an Gujarat verloren. Reiner Wahlkampf, schimpfte Maharashtra.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen