: Wenn Schaffnerinnen „die da oben“ sind
Leipzig-Mitte 68.000 Einwohner:innen Der Stadtbezirk umfasst zahlreiche Baudenkmäler wie Oper und Gewandhaus.
In der Straßenbahn vom Leipziger Hauptbahnhof nach Connewitz. Eine sauertöpfische Frau sitzt mir und meiner Mitfahrerin gegenüber, wir bestaunen alles. Das Fahrgastfernsehen mit „Infotainment“ aus der Region. „AfD jetzt stärkste Kraft im Osten“, „RB Leipzig Cheftrainer Rose über Bochum“. Ein Aufruf: „Gestalte mit uns die Mobilitätswende. Bewirb Dich beim Fahrgastbeirat.“ – Ehrenamtlich, also: unbezahlt. Die Sauertöpfin verfolgt unsere Blicke. Ich bewundere laut in ihre Richtung das vorüberziehende Stadtbild. „Was für ein schönes Dach, schau mal, das MDR-Gebäude. Das hier scheint das Rathaus zu sein.“ Endlich mischt sie sich ein. „Das ist nicht das Rathaus, sondern das Gewandhaus“, stellt sie klar. „Ach so“, ermutige ich sie. Jawohl, und das hier sei die Oper und da hinten, da sehe man schon das neue Rathaus, wird sie jetzt eifrig.
Plötzlich bleibt die Tram stehen. Lautsprecheransage der Schaffnerin, alle müssen aussteigen. Aus dem Gesicht der Sauertöpfischen hat sich jede Lebhaftigkeit verzogen. Draußen zündet sie sich eine Zigarette an: „Typisch, die da oben machen Feierabend und uns setzt man vor die Tür.“ Für das Gefühl, zu kurz gekommen zu sein, braucht es nicht viel. Sunny Riedel
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen