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Bastelarbeit mit bislang guten Ergebnissen

Die Handballer vom TSV Hannover-Burgdorf verlieren knapp gegen Kiel. Dennoch kann Trainer Prokop mit dem Saisonstart zufrieden sein

Von Frank Heike

Mit vier Toren zehn Minuten vor Schluss geführt, aber dann doch 27:29 gegen den THW Kiel verloren – die Handballer des TSV Hannover-Burgdorf mussten sich am Sonntagnachmittag ärgern, dem Handball-Rekordmeister nicht mehr abzuknöpfen als anerkennende Worte. In einer über lange Zeit ausgeglichenen Partie kämpfte der TSV leidenschaftlich und fest entschlossen. Nach dem 25:35 gegen die SG Flensburg-Handewitt vor drei Wochen war es die zweite Niederlage gegen ein Spitzenteam; mit drei Siegen aus den bislang fünf Spielen steht die TSV aber immer noch ordentlich da in der jungen Saison.

Und das ist mehr, als man erwarten durfte: Sechs Spieler kamen, sechs gingen, und schaut man auf das nächste Jahr, so enden am 30. Juni 2023 sogar acht Verträge von Spielern der TSV Hannover-Burgdorf. Auch Trainer Christian Prokop hat nur bis Mitte des nächsten Jahres unterschrieben. Der Verein mit Sportchef Sven-Sören Christophersen an der Spitze erfindet sich jedes Jahr wieder neu. Der stete Wechsel im Team führte in der Vorsaison zum Flirt mit dem Abstieg; Hannover-Burgdorf endete mit 27 Punkten auf Platz 13. Das war für einen Verein mit großen Ambitionen zu wenig. Danach war der dritte Umbruch in den vergangenen vier Jahren unausweichlich.

Eine etwas bessere Platzierung im ersten Prokop-Jahr hatte man schon erwartet, gilt der früherer Nationaltrainer (2017 bis 2020) doch als Tüftler, dem man wie einst in Leipzig Zeit geben muss, um seinen Stil zu entwickeln. Bekommt er die und verspürt er genügend Rückhalt, ist er der richtige Coach für eine junge Mannschaft deutscher Prägung, wie sie die TSV darstellt.

Junge Handballer wie Spielmacher Veit Mävers, die Außen Vincent Büchner und Hannes Feise oder Rückraumspieler Martin Hanne sind bei Prokop in guten Händen, und ganz nebenbei kann sich der Deutsche Handballbund (DHB) freuen, dass es hier ein Klub wirklich ernst meint mit der Jugendarbeit, der nicht nur für andere Vereine ausbildet, sondern für die eigenen Profis.

Und Prokop war auch der Grund, warum einer der derzeit besten deutschen Nachwuchsspieler nach Hannover ging, der 20 Jahre alte Linkshänder Renars Uscins. Aber nur mit jungen Profis geht es natürlich nicht. Sportchef Christophersen hat seine Netzwerke angezapft und in Wladislaw Kulesch (linker Rückraum) und Branko Vujovic (rechts) Spieler geholt, die mit KS Kielce im Juni das Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona verloren. Beide kamen damals zum Einsatz. Kielces Kader ist so groß, dass der Klub auf Ausleihen setzt. Dieses Modell wird in der Szene geringgeschätzt, weil es mit dem herkömmlichen Handeln von frühem Verpflichten und langfristigen Verträgen aufräumt: Wer etwas für ein Jahr sucht, wird in Kielce fündig. Für den Moment können gestandene Spieler wie Kulesh und Vujovic eine Hilfe sein; zudem hat sich Hannover Vujovics Dienste gleich für drei Jahre gesichert.

Darüber hinaus hat Christophersen Erfahrung aus der Bundesliga eingekauft. Marian Michalczik, Dario Quenstedt und Marius Steinhauser sind langjährige Profis von Spitzenklubs. Dort spielten sie zwar keine Hauptrolle, kennen aber die Liga und den Druck, gewinnen zu müssen.

Alles in allem seien die vielen Neuen eine ordentliche „Bastelarbeit für unseren Trainer“, wie Christophersen gegenüber der Handball-Woche sagte. Trotzdem schwebt ihm immerhin ein einstelliger Tabellenplatz am Ende der Saison vor. „Wir haben einen klaren Schnitt gemacht und wollen mit mehr Qualität nach vorn“, sagt er. Bevor es im nächsten Jahr dann weitergehen könnte mit dem Umbruch, Teil vier – es sei denn, es hagelt demnächst Vertragsverlängerungen.

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