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: „Luftwurzel-Literatur gibt eine positive Sicht auf die Dinge wieder“

Zum vierten Mal lädt der Bremer Sujet-Verlag ein zu Reisen in die iranische, arabische und türkische Literatur. Die hat wenig gemein mit den Regimen ihrer Länder

Foto: Ingo Wagner/dpa

Madjid Mohit60, Schriftsteller, Übersetzer und Verleger, Gründer des Sujet-Verlags.

Interview Emma Rotermund

taz: Madjid Mohit, warum ist es so wichtig, sich mit iranischer Literatur zu beschäftigen?

Madjid Mohit: Ich bin selbst Iraner und kenne mich mit dieser Literatur am besten aus. Ich kenne die Sprache und habe noch viele Kontakte zu Autoren im Iran. Als Verleger habe ich dort die gleiche Arbeit gemacht und dann in Deutschland angefangen, iranische Literatur zu verlegen. Iranische, aber auch arabische oder türkische Literatur wird wenig übersetzt und auf den Markt gebracht. Diese Literatur wird mit den Nachrichten über diese Länder verwechselt, wo sie häufig klischeehaft dargestellt werden. Die Literatur bleibt immer noch fremd, dabei könnte man durch sie die Kultur kennenlernen.

Wie situiert sich die Veranstaltung in dem diesjährigen Motto: „Zwischen Abend- und Morgenland“?

Bei dem Motto geht es um den Dialog zwischen Orient und Okzident. Wir bieten den Autoren die Möglichkeit ins Gespräch zu kommen, auch untereinander. Ich finde diesen literarischen Austausch sehr wichtig, um für Verständigung zu sorgen und gegen Klischees vorzugehen.

Das Literaturfestival „Reisen in die Literatur“ findet schon zum vierten Mal statt. Wie hat es sich über die Zeit entwickelt?

Die Reihe läuft seit vier Jahren. Am Anfang hatten wir nur iranische Literatur, inzwischen auch arabische und türkische. Mittlerweile lesen bei uns nicht mehr nur Autoren aus unserem Verlag, sondern auch aus anderen Verlagen. Dadurch erweitert sich das Gespräch noch mehr.

Warum hat es das, was Sie „Luftwurzelliteratur“ nennen, so schwer?

Reisen in die Literatur: Abend in Prosa. Ghazi Rabihavi liest aus seinem Roman „Söhne der Liebe“ über eine schwule Liebe im Iran, die deutsch-iranische Autorin Nava Ebrahimi liest aus ihren Büchern „Der Cousin“ und „Das Paradies meines Nachbarn“, 4. 10., 19.30 Uhr, Theater am Leibnizplatz, Bremen

Die Literatur hat es heutzutage ohnehin sehr schwer. Dazu kommt, dass die Luftwurzelliteratur eine Nische ist. Sie wird geschrieben von Autoren, die in zwei Kulturen zu Hause sind. Die Autoren konnten zum Beispiel im Iran wegen Zensur über bestimmte Themen nicht schrei­ben und können das nun im Exil tun. Der Begriff ist entstanden, weil die Bezeichnung „Exilliteratur“ nicht zu dem gepasst hat, was unsere Autoren schreiben. Bei der Exilliteratur wird zurückgeguckt, während es bei der Luftwurzelliteratur darum geht, dass die Autoren nach vorne gucken und sich in ihrer neuen Situation zurechtfinden. Es wird nicht von der Vergangenheit, sondern Gegenwartsgeschichte erzählt. Luftwurzelliteratur gibt eine positive Sicht auf die Dinge wieder. Unser Bücher wurden oft als „Migrationsliteratur“ oder „Ausländerliteratur“ in eine Schublade gesteckt. Mittlerweile hat diese Literatur aber einen Platz in der deutschen Literatur gefunden.

Bei der Veranstaltung werden Bücher von zwei Au­to­r*in­nen vorgestellt: „Söhne der Liebe“ von Ghazi Rabihavi und „Der Cousin“ von Nava Ebrahimi. Wie haben Sie diese Autor*in­nen ausgewählt?

Beide beschäftigen sich in ihren Romanen mit unterschiedlichen Aspekten von Homosexualität im Iran. Außerdem wird man durch die Handlungen der Geschichten auf andere wichtige gesellschaftliche Themen im und außerhalb des Iran aufmerksam gemacht.