: Das Köpfen des Kohls
Schockierendes Ritual in Schleswig-Holstein
Es ist eines der grausamsten Ritualfeste der Menschheit. So etwas kann wahrlich nur der Homo gar nicht sapiens in all seiner Unmenschlichkeit ersinnen und auch noch zu einer „kulturellen Tradition“ erheben. Was für Japan das blutige Delfinmassaker in der Bucht von Taiji, was für die Faröer-Inseln das nicht weniger blutrünstige Abschlachten der Wale beim Grindadràp, das ist für Schleswig-Holstein das alljährlich zeremonielle Köpfen des ersten Kohls bei den Dithmarscher Kohltagen.
Zum 36. Mal wurde am gestrigen Dienstag das ebenso schockierende wie brutale Treiben eröffnet. Tausende von unschuldigen Kohlköpfen mussten schon am Eröffnungstag ihr zartes Leben lassen, als Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) aufs Feld der Unehre schritt und nach uralter Manier der Landmänner zwischen den Meeren als Erster mit dem Krummdolch zustach.
Das Ritual läuft immer gleich ab: Erst wird dem bedauernswerten Kohlkopf der Orientierungssinn geraubt, dann wird ihm mit dem Dolch die „Strunk“ genannte Kehle durchtrennt und schließlich wird der bei vollem Bewusstsein ausgrünende Kopf lieblos zur Seite geworfen, um später höhnisch mit menschlichen Attributen wie Sonnenbrillen und Kopftücher versehen und zu einer Pyramide aufgestapelt zu werden.
Das pure Grauen. Der reine Horror. Die Schmerzensschreie der Kohlköpfe sind gefühlt bis hinter den Deich zu hören, jedem nur halbwegs empfindsamen Beobachter krampft sich das Herz zusammen angesichts der schändlichen Gräueltaten.
Sechs Tage dauert der hochprozentig unterfütterte Kohlrausch, aber da Schleswig-Holsteiner von Natur aus gefühllos und bott bis aufs Blut sind, sind sie auch fähig, dieses zivilisatorische Verbrechen zu begehen und zu überstehen. Eine Schande für dieses Kulturvolk! Eine Schande für das Land zwischen den Meeren! Eine Schande für die Menschheit!
Wir aber verneigen uns vor den beklagenswerten Kohlköpfen. Mögen sie auferstehen auf unseren Tellern als göttlich leckeres Wirsing mit Hack.
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