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Archiv-Artikel

crime scene: „der wald des vergessens“ von reginald hill und „der nachtmanager“ von john le carré

Auch in der Kriminalliteratur steht es schlecht um die Qualität der Übersetzungen. Das Problem ist dabei weniger, dass die mit dieser Aufgabe beschäftigten Damen und Herren die Originalsprache nicht ausreichend beherrschen, sondern vielmehr ihre mangelnde Kenntnis des Deutschen. So kämpft sich gleich auf den ersten Seiten von Reginald Hills „Der Wald des Vergessens“ eine Gruppe militanter Tierschützerinnen durch dichtes Unterholz und richtet sich dabei „nur nach dem Schein, das von oben“ kommt. Man darf befürchten, dass außer der Übersetzerin Xenia Osthelder auch noch ein Lektor und ein Korrektor an diesem grammatikalischen Coup beteiligt waren. Zumindest ist es nach diesem Auftakt keine Überraschung, dass die lieblos aneinander gereihten Hilfskonstruktionen in der deutschen Ausgabe von den mit deutlicher Ironie in die Länge gezogenen Sätzen Reginald Hills nichts übrig lassen.

Erstaunlich ist nur, dass man ein anständiges Buch auch mit einer derart nachlässigen Übersetzung nicht völlig zerstören kann. „Der Wald des Vergessens“ ist ein tiefgründiger Thriller, in dessen Mittelpunkt wieder einmal die Polizisten Andrew Dalziel und Peter Pascoe stehen. Während Detectiv Superintendent Dalziel mit einem fünfzig Jahre alten Leichenfund zu tun hat und sich dabei eben auch mit besagten Tierschützerinnen herumschlagen muss, ermittelt der melancholische Pascoe in eigener Sache. Nach dem Tod seiner Großmutter fällt ihm ein Foto seines Urgroßvaters in die Hände, der 1917 auf den Schlachtfeldern bei Ypern umgekommen ist. Pascoe stellt Nachforschungen an und erfährt, dass sein Urgroßvater nicht gefallen ist, sondern wegen Feigheit vor dem Feind „an einen Baum gebunden und erschossen worden ist“.

Hier geht es um ein nicht nur von offizieller Seite gerne übergangenes Kapitel der britischen Militärgeschichte: In zweifelhaften Schnellverfahren wurden während des „Großen Krieges“ zwischen 1914 und 1918 von provisorischen Gerichten an der Front gut 330 Todesurteile verhängt und vollstreckt. Es waren wohl auch ein paar schuldige Mörder unter den Hingerichteten. Doch wenn man sie außen vor lässt, bleiben laut Reginald Hill noch „etwa dreihundert Kerle, die hingerichtet wurden, weil sie so schreckliche Verbrechen begangen hatten, wie völlig verstört zu sein, die Hosen voll zu haben, nicht mehr alle Tassen im Schrank zu haben oder komplett durchgedreht zu sein“.

Auch John Le Carré beschäftigt sich in seinem Thriller „Der Nachtmanager“, der bereits 1993 erschien und jetzt erneut auf Deutsch aufgelegt wird, mit der Legende von der unbefleckten britischen Militärnation. Jonathan Pine, dessen Vater im Zweiten Weltkrieg gefallen war, hatte sich ebenfalls bei der Armee verpflichtet und war an einem Tötungskommando in Nordirland beteiligt: ein Killer im Auftrag der Königin.

Mittlerweile ist Pine auf der Flucht vor seinen Albträumen als Angestellter in einem Luxushotel gelandet, doch als eines Nachts ein internationaler Waffenhändler bei ihm eincheckt, wird er von seiner Vergangenheit eingeholt: Der Geheimdienst appelliert an Pines Restpatriotismus und rekrutiert ihn für einen Undercover-Einsatz. „Der Nachtmanager“ gehört zu den besseren Büchern im Spätwerk des routinierten Spionageschriftstellers. Vor allem aber gelingt es dem 1932 geborenen John Le Carré genauso wie seinem fast gleichaltrigen Krimikollegen Reginald Hill, mit den sprachlichen Mitteln eines Thrillers ein wenig von dem verhängnisvollen britischen Durcheinander von Klasseninteressen, imperialistischer Selbstüberschätzung und nationalistischer Geschichtsinterpretation zu beschreiben. Das ist dann tatsächlich mal eine Übersetzungsleistung. KOLJA MENSING

Reginald Hill: „Der Wald des Vergessens“. Aus dem Englischen von Xenia Osthelder. Europa Verlag, Hamburg 2005, 480 Seiten, 22,90 Euro John Le Carré: „Der Nachtmanager“. Aus dem Englischen von Werner Schmitz. List, München 2005, 559 Seiten, 20 Euro