: „Die Preise unserer Produkte würden deutlich steigen“
WETTBEWERB Faire Löhne in den Entwicklungsländern zu zahlen sei nicht möglich, sagt Puma-Vorstand Reiner Seiz
■ Der 48-Jährige sitzt im Vorstand der Puma SE, wo er für die globale Produktionskette verantwortlich ist. Für die Sportfirma arbeitet er seit 1989. Zunächst in der Design- und Entwicklungsabteilung.
taz: Herr Seiz, Puma ist in mancher Hinsicht ein vorbildliches Unternehmen. Und doch arbeiten die Beschäftigten in den weltweiten Zulieferfabriken oft unter schlechten Bedingungen. Warum ist Puma nicht konsequent?
Reiner Seiz: Wir sind als Unternehmen sehr konsequent, denn wir haben seit mehr als zwanzig Jahren die Arbeits- und Sozialbedingungen in unseren Zulieferbetrieben kontinuierlich verbessert. Als erstes Unternehmen der Branche haben wir bereits 1993 damit begonnen, einen eigenen Verhaltenskodex einzuführen und umzusetzen. Wir überprüfen unsere Lieferanten regelmäßig und überwachen die Umsetzung unserer Standards durch eigene Expertenteams. Über die Fair Labor Association, deren Mitglied wir sind, werden auch unangekündigte Kontrollen in unseren Zulieferfabriken durchgeführt. Kommen uns dabei Vorwürfe zu Ohren, gehen wir ihnen konsequent nach und versuchen, die etwaigen Missstände abzustellen.
Bürgerrechtler sagen, dass die Arbeiterinnen beispielsweise in Bangladesch zu wenig verdienen, um davon ihre Familien mit dem Nötigsten versorgen zu können. Warum verpflichten Sie die Zulieferfirmen nicht einfach, existenzsichernde Löhne zu zahlen?
Unternehmen, die für Puma produzieren, zahlen immer den im jeweiligen Land vorgesehenen Mindestlohn – und darüber hinaus oftmals sogar deutlich mehr. In China beispielsweise lässt sich inzwischen kein Arbeiter mehr für den Mindestlohn einstellen. Wir versuchen, die Arbeiter und ihre Familien so gut zu stellen wie möglich. Um keinen Anlass für einen der Streiks zu geben, die in China oder Vietnam häufig sind, erhöhen wir die Löhne oft schon im Vorfeld.
Aber Sie drücken sich darum herum, den Arbeiterinnen und Arbeitern Löhne zuzugestehen, die den Lebensunterhalt decken.
Nein, denn wir diskutieren dieses Thema seit geraumer Zeit intern und auch mit Organisationen, die uns kritisieren. Tatsächlich gibt es aktuelle Studien, die eine Lücke aufzeigen zwischen den Mindestlöhnen und einer sogenannten fairen Bezahlung der Beschäftigten. Wir analysieren und prüfen derzeit unsere Möglichkeiten, diese Lücke zu schließen.
Warum sagen Sie Ihren Zulieferern in Bangladesch nicht einfach, sie sollten den Arbeiterinnen 8.000 Taka, 78 Euro, monatlich zahlen – wodurch diese nach Berechnungen von Arbeitsrechtlern dann endlich ihren Grundbedarf finanzieren könnten?
Das würde bedeuten, dass die Preise unserer Produkte deutlich steigen. Und das wiederum würde die Wettbewerbsfähigkeit von Puma gegenüber den anderen Unternehmen in unserer Branche verschlechtern. Es ist also ein komplexes Thema, das wir nicht mehr nur als einzelnes Unternehmen angehen können, sondern in Kooperation mit anderen. Wir überlegen gegenwärtig, ob eine gemeinschaftliche Lösung innerhalb der Branche möglich ist.
Die Arbeitskosten in den Entwicklungsländern machen nur wenige Prozent des Endpreises aus. Wenn Puma den Grundbedürfnislohn zahlte, würde der Preis für ein Paar Schuhe vielleicht um fünf Euro steigen. Wo liegt das Problem?
Diese Zahlen kann ich nicht bestätigen. Wenn wir die Löhne gemäß mancher Forderung erhöhten, könnte das schnell zu einer Preissteigerung von bis zu 30 Prozent zulasten der Verbraucher führen. Das ist derzeit am Markt nicht umsetzbar. Deshalb müssen wir überlegen, ob es gemeinsame Lösungen gibt, die unsere Wettbewerber und vielleicht auch die Konsumenten gleichermaßen mit einbeziehen.
Wenn Sie keinen Preisaufschlag erheben wollen, könnten Sie den Gewinn ein wenig reduzieren. Statt gut 230 Millionen Euro Nettoprofit wie 2011, blieben dann vielleicht 200 Millionen übrig – auch nicht schlecht. Erlauben das Ihre Aktionäre nicht?
■ Mit Schuhen, Klamotten und Ausrüstung, unter anderem für Fußball, Golf, Segeln, Autorennen und Alltag, hat Puma 2011 gut 3 Milliarden Euro umgesetzt.
■ Nach Steuern blieben 230 Millionen Euro als Gewinn. Die Firma, die zum französischen Konzern Pinault-Printemps-Redoute gehört, beschäftigt knapp 11.000 eigene Mitarbeiter, worin das Heer der Zulieferarbeiter in aller Welt nicht enthalten ist.
■ Zum Vergleich: Konkurrent Adidas ist nach Umsatz und Mitarbeiterzahl viermal so groß wie Puma.
Wir sind eine Europäische Aktiengesellschaft und müssen natürlich auch den Vorstellungen unserer Anteilseigner gerecht werden. Insgesamt tragen unsere Aktionäre aber die soziale und ökologische Verantwortung mit, die Puma praktiziert. Vor diesem Hintergrund sehen wir durchaus Möglichkeiten, auch in der Lohnfrage künftig voranzukommen.
Unternehmen wie Puma, Adidas, Apple und andere legen in ihren hauseigenen Verhaltenskodizes Verpflichtungen für die Zulieferer in aller Welt fest, die diese regelmäßig nicht einhalten. Offenbar müssen die Arbeiterinnen auch in Zulieferfabriken von Puma oft länger arbeiten als die 60 Stunden pro Woche, die Sie als Obergrenze angeben. Woran liegt es, dass die Markenfirmen ihre Vorschriften einfach nicht durchsetzen können?
Puma verfügt über ein ausgedehntes Netzwerk an Lieferanten. In über 30 Ländern arbeiten wir mit über 200 Produktionsfirmen und zusätzlich rund 100 Lizenznehmern zusammen. Diese rund um die Uhr zu kontrollieren ist schwierig und nahezu unmöglich. Wir versuchen es trotzdem, so gut wie möglich – und meistens gelingt uns das auch. Aber auch wir können nicht verhindern, dass es auch mal Ausreißer gibt. Da kommt es vor, dass ein Lieferant, der unter zeitlichem Druck steht, seine Beschäftigten auffordert, noch eine Stunde Arbeitszeit dranzuhängen. Insgesamt jedoch, das möchte ich betonen, wird unsere Überstundenregelung eingehalten. INTERVIEW HANNES KOCH