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Archiv-Artikel

Feiern, bevor das Wir alle ist

Wer, was, wo, wie, warum? – Auch 2005 muss jeder und jede die großen Fragen des CSD für sich selbst beantworten

Das große Motto, des diesjährigen großen CSD heißt „Unser Europa gestalten wir“. Die konkreten Forderungen verweisen dabei aber eher auf die nationale, lokale und individuelle Ebene: keine finanziellen Kürzungen, sondern Ausbau bei den Einrichtungen, die sich mit lesbisch-schwulen Belangen befassen, sowie engagiertere Antigewaltarbeit. Ein umfassendes Landes-Antidiskriminierungsgesetz sowie Anerkennung von Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung als Asylgrund. Ergänzung von Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz um das Merkmal der „sexuellen Identität“ sowie die Forderung an jeden Einzelnen der Queer-Community, sich nicht diskriminierend zu verhalten. (Alle Forderungen unter: www.csd-berlin.de/de/demo2005/forderungen.)

Start der großen CSD-Parade, zu der hunderttausende erwartet werden, ist um 12 Uhr auf dem Ku’damm, Ecke Knesebeckstraße. Die Route führt über Wittenbergplatz, Nollendorfplatz und Potsdamer Straße zur Siegessäule. Die Abschlusskundgebung mit der Verleihung der Zivilcouragepreise beginnt um 17 Uhr und endet um Mitternacht. Mit dem Zivilcouragepreis ausgezeichnet werden die European Gay und Lesbian Sport Federation, die Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ateș sowie das schwule Aidshilfeprojekt in Kiew „Zeit des Lebens – Puls“. Ab 22 Uhr sind berlinweit zudem jede Menge Partys angesagt. Vom „CSD für alle“ zur „CSD-Allee“. Das ist nur ein Vorschlag von vielen. Unter www.siegessaeule.de/service/goldelse/csdparty.htm finden sich alle Events.

Der „transgeniale CSD“, auch „Kreuzberger CSD“, steht unter dem Motto: „Weil wir es uns wert sind!“ Er findet in diesem Jahr zum letzten Mal statt, weil die Leute, die ihn bisher aus dem Boden stampften, dies nicht länger schaffen. „Solidarität war gestern“ und „Engagement, was ist das?“, meint eine der Organisatorinnen. Noch einmal aber gilt aus ihrer Sicht, dass es einen „unkommerziellen CSD“ geben soll, der der Vielzahl der Ausgegrenzten Raum für Demonstration, politischen Reden und Spaß lässt, bevor das „Wir ist alle“ umkippt in sein Gegenteil.

Die Forderungen des trangenialen CSD lauten: „Keine Norm für niemand!“ und: „Wir wollen weder diesen inhaltsleeren Mainstream einer Homoszene, die angepasste Lebensweisen etabliert, noch die Ausgrenzung von Menschen, die nicht zu funktionieren scheinen in einer Gesellschaft, die alles bewertet, aufspaltet und in Normen einteilt. Schönheit, Gesundheit, Reichtum, Jugendkult – das sind ausgrenzende Werte.“ Verurteilt wird zudem eine Gesellschaftsform, die nur in Frauen und Männer unterteilt, die Zwischentöne, Hermaphroditen etwa, „operativ vernichtet und einer zweifelhaften Zwei-Geschlechter-Norm angleicht“.

Start der transgenialen Demonstration, zu der 5.000 Leute erwartet werden, ist um 15 Uhr am Hermannplatz. Von dort geht es über den Kottbusser Damm zur Abschlusskundgebung auf dem Heinrichplatz. Um 21 Uhr schließlich beginnt im SO 36 in der Oranienstraße die große „Kreuzberger CSD-Party“. WALTRAUD SCHWAB