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„Das war sein Schatz“

Filmemacher Thomas Struck zeigt die Fotografien seines Vaters Fide im Lichtbildervortrag

Foto: privat

Thomas Struck

Jahrgang 1943, Filmemacher, ist Mitbegründer des Hamburger Filmbüros.

Interview Wilfried Hippen

taz: Herr Struck, warum halten Sie als Filmemacher im Abaton-Kino einen Licht­bildervortrag?

Thomas Struck: Ich bin nicht nur als Sohn, sondern auch als Filmemacher angetan von der Qualität der Fotografien, die mein Vater in den 1930er-Jahren gemacht hat. Und ich will sie auch publizieren – als Buch oder als Fotofilm. Ein Lichtbildervortrag ist eine gute Vorstudie dafür. Da lerne ich, wie ich seine Lebensgeschichte zwischen 1901 und 1945 anhand seiner Fotos erzählen kann.

Was zeichnet das Werk Ihres Vaters aus?

Er kam aus einfachen Verhältnissen und hat sich das Fotografieren selber beigebracht. In den 1930er-Jahren hat er im Stil der Arbeiterfotografie das gemacht, was man heute Street Photography nennen würde – Fotoreportagen in der Straßenbahn, auf dem Hamburger Fischmarkt, in der Werft und bei den Arbeitern des Kapitals in der Börse.

Warum hat er nur wenige Jahre als Fotograf gearbeitet?

Nach der Machtergreifung wurde es ihm zu heiß. Er hat sich dann zurückgezogen und ab 1935 als Buchhalter gearbeitet. Nach dem Krieg hat er seine Kamera gegen eine Schreibmaschine eingetauscht. 1941 hat er 3.000 seiner Glasnegative in das Zeitungspapier des Völkischen Beobachters eingewickelt, weil das das beste Papier war, und die dann in einen großen Holzkoffer gepackt. Das war sein Schatz.

Warum wurde der von Ihnen erst 2015 geöffnet?

Das war immer nur so ein alter, schwerer Koffer – als wäre er voller alter Schuhe. Er stand in meinem Keller, bis 2015 ein befreundeter Fotograf bei mir zu Besuch war, und der war kräftig genug, ihn drei Stockwerke hochzutragen. Als wir ihn geöffnet haben, kam der Geruch des 2. Weltkriegs heraus, aber der Fotograf war begeistert.

Was haben Sie damit gemacht?

Ich hatte Glück, denn als ich die Fotos der Stiftung Preußischer Kulturbesitz angeboten habe, haben sie das ganze Konvolut in den Bestand ihres Bildarchivs aufgenommen.

Wurden die Bilder schon öffentlich gezeigt?

„Old Gold – Fides Fotokoffer“, Museum für Hamburgische Geschichte, 27. 8., 21 Uhr; Abaton-Kino, 28. 8., 11 Uhr; Bürgerhaus Langenhorn, 30. 8., 18 Uhr

Ja, das Altonaer Museum hat zum Beispiel vor zwei Jahren eine Ausstellung seiner Bilder mit dem Titel „Fisch, Gemüse, Wertpapiere“ gemacht.

Hat sich Ihre Sicht auf diese Bilder verändert?

Ja, denn jetzt kann ich mit Leuten darüber sprechen. Ein Mann hat zum Beispiel auf einem der Fotos seinen Vater als Auktionator auf dem Fischmarkt wiedererkannt. Ich bekomme so ein intensiveres Gefühl für den Stoff und kann erkennen, was über die persönliche Geschichte ­hinausgeht.

Zum Beispiel?

Heute können wir uns ein Leben ohne Plastik gar nicht mehr vorstellen. Aber auf dem großen Gemüsemarkt am Deichtor hat mein Vater fotografiert, wie auf dem Kanal die Schuten ankamen und alles in Körben, Säcken oder Kästen angelandet wurde. Und jetzt sind die Deichtorhallen ein Ausstellungshaus für Kunst und Fotografie.

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