berliner szenen: Jungs mit kleinen Ärschen
Ich liege am Schlachtensee auf einer Decke und suche Erholung. Nachdem ich nämlich von unserem Urlaub an der Nordsee nur zwei Tage etwas hatte, weil ich mit Corona infiziert die restliche Zeit in der Isolation im Bett der Ferienwohnung verbracht habe, fühle ich mich sehr erholungsbedürftig. Ich bin immer noch ziemlich schlapp, sodass ich am liebsten dauernd schlafen würde.
An den See habe ich mir ein Buch mitgebracht, das ich aber noch nicht mal aufgeschlagen habe. Zu viel lenkt mich hier ab. Etwas weiter weg springt eine Gruppe Jugendlicher von einem Baum. Sie üben Arschbomben und die Mädchen zeigen den Jungs, wie es geht. „Ihr habt zu kleine Ärsche“, ruft die eine. „Echte Arschbomben können wir Frauen besser.“
Ein kleiner Junge geht mit seinem Hund baden. Sie spielen Ball. Der riesige Labrador apportiert den Ball unermüdlich. Er schwimmt hin und her, hin und her. Ich werde schon vom Zusehen müde.
Als ich wieder aufwache, sitzen hinter mir zwei Jungs. Sie sind etwa 17 Jahre alt, tragen helle Chinos und weiße Polohemden und sehen nicht aus, als würden sie baden wollen. Der eine erzählt über jemanden, den er im Winter in St. Moritz getroffen hat. „Die haben da ein Haus“, sagt er. „Mit einem Riesenpool. So mit Blick auf die Berge.“ Er erzählt weiter von einem Lehrer, der in seinem Unterricht behauptet hat, dass Gendern der neue Rassismus sei.
Ich bin plötzlich noch müder, stehe auf und lege meine Decke zusammen. Da höre ich, dass der andere Junge sagt: „Ich weiß nicht, es kommt mir gerechter vor. Schließlich wurde vorher doch auch immer gegendert. Nur eben männlich. Ist doch okay jetzt anders.“
„Du mit deiner linken Mutter“, sagt der Erste. Und der andere: „Wo sie recht hat ...“ Dann schweigen sie. Und ich muss lächeln.
isobel markus
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