: Kampagne für inhaftierten Dissidenten in Iran
Gesundheitszustand von Nasser Zarafshan verschlechtert. Anwalt wollte Hintergründe politischer Morde aufklären
BERLIN taz ■ Im Iran findet derzeit eine Kampagne für die Freilassung eines erkrankten prominenten politischen Gefangenen statt. Wiederholt haben Angehörige und Unterstützer Sit-ins vor dem berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis veranstaltet.
Es geht um den Rechtsanwalt, kritischen Autor und Übersetzer Nasser Zarafshan, der 2002 zu fünf Jahren Haft und 50 Peitschenhieben verurteilt wurde. Am 7. Juni trat er in den Hungerstreik. Der nierenkranke 59-Jährige wollte damit eine medizinische Behandlung außerhalb des Gefängnisses erzwingen. Außerdem protestierte er gegen seine Verlegung in eine Zelle mit verurteilten Schwerverbrechern. Mittlerweile hat er über 14 Kilogramm abgenommen.
Am vergangenen Sonntag verschlechterte sich Zarafshans Zustand so dramatisch, dass er in ein Krankenhaus gebracht wurde. Er verweigerte eine Behandlung, weil er den Hungerstreik fortsetzen wollte, wie seine 24-jährige Tochter Zoya, die in Berlin studiert, mitteilte. Außerdem hätten die Ärzte eine Operation für zu riskant gehalten, da sein Blutdruck zu niedrig gewesen sei. Nach einer Stunde war Zarafshan wieder im Gefängnis. Zwei Tage später wurde der Anwalt in ein Auto gepackt, um ihn als Strafe für seinen Hungerstreik in den Isolationstrakt zu bringen. Unterwegs wurde er ohnmächtig und wachte in einem Krankenhaus wieder auf. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ärzte bereits ohne seine Einwilligung seine Nierensteine zertrümmert – andernfalls hätte er eine Niere verloren, sagten sie. Während der Behandlung wurde Zarafshan künstlich ernährt. Anschließend wurde er ins Evin-Gefängnis zurückgebracht. Abgesehen davon, dass jeder Eingriff ein Risiko in sich birgt, sind in dem vorliegenden Fall Nachuntersuchungen notwendig, um zu prüfen, ob alle Splitter auch abgegangen sind.
Zarafshan wurde festgenommen, weil er als Rechtanwalt die Angehörigen von fünf Intellektuellen verteidigte, die im Zuge der so genannten Kettenmorde 1999 ermordet worden waren. Zwar wurden fünf Personen deswegen zu Haftstrafen verurteilt, wirklich aufgeklärt wurde die Mordserie jedoch nie. Zarafshan setzte sich dafür ein, dass die wahren Auftraggeber ermittelt werden. Nach seiner Festnahme wurde sein Büro durchsucht, dabei wurden angeblich Waffen und Alkohol gefunden, was Zarafshan jedoch abstreitet. Vor einem Militärgericht wurde er wegen der Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen und Waffenbesitz verurteilt.
Zarafshan hatte seinen Hungerstreik bereits Ende April begonnen, als er in eine andere Zelle verlegt wurde – vermutlich eine Strafmaßnahme, weil er in einem offenen Brief ein Referendum über die Regierungsform des Iran gefordert hatte. Wie seine Tochter berichtete, ist er in dieser Zelle Schikanen seiner Mitgefangenen ausgesetzt, die dafür Hafturlaub bekommen.
Angehörige und Freunde hoffen nun, dass ihre Aktionen und der internationale Druck dazu führt, dass Zarafshan freigelassen wird. Beobachter gehen davon aus, dass die Chancen dafür möglicherweise jetzt, nachdem die Präsidentschaftswahlen vorbei sind, steigen. BEATE SEEL