„Wenn Punk ein Baum ist, bin ich der, der daneben stehtund den Baum anpisst“

Als Ferris MC und mit der Band „Deichkind“ hat Sascha Reimann die deutsche Rap-Szene geprägt. Jetzt macht er lieber Rock, weil das altersgemäß ist. Auch beim Open Air in Stemwede

Foto: Authentik Film

Sascha Reimann

Jahrgang 1973, Sänger. Nach Anfängen mit der Freak Association Bremen (F.A.B.) avancierte er als Ferris MC und von 2008 bis 2018 als Ferris Hilton in der Band Deichkind zu einem der prägendsten Rapper Deutschlands.

Interview Kevin Goonewardena

taz: Herr Reimann, wenn ich höre, dass Sie Rockmusik machen, muss ich an „Chaos“ denken, den Song, den Sie 1999 zusammen mit der Crossover-Band Such A Surge, den Spezializtz und DJ Stylewars aufgenommen haben …

Sascha Reimann: Schon Mitte der 90er gab es eine Crossover-Szene in Bremen. Da habe ich mit F.A.B. zusammen mit einer Band, die hieß Saprize, etwas in der Richtung gemacht. Gerade Hardcore und UK-Britcore-Sachen waren damals groß bei uns. Für mich ist das nichts Besonderes, dieses Genre-Denken kam bei mir nie vor. Ich mache einfach Musik, die ich fühle und auf die ich Bock habe.

Elemente aus der Rockmusik zogen sich auch durch Ihr Schaffen als Rapper. Sie haben mal gesagt, dass Sie sich als Punk sehen und Hip-Hop mehr von der Punk-Attitüde hätte vertragen können. Wie war das gemeint?

Ich bin der Meinung, dass Punk ein Teil meines „Freak“-Daseins ist. Ich bin völlig frei. Ich sehe mich als Paradiesvogel mit Narrenfreiheit. Auch bei Deichkind habe ich immer eine gewisse Punk-Attitüde mit hereingebracht. Dabei sehe ich mich aber nicht als Polit-Punk oder dergleichen. Sondern auch hier losgelöst von allen Unterarten. Wenn Punk ein Baum ist und die Äste die Subgenres, bin ich der, der daneben steht und den Baum anpisst.

Was haben Sie als Kind und als Heranwachsender gehört?

Die erste Platte, die ich gekauft habe, die erste 7-Inch, das war Lee Majors „Unknown Stuntman“ aus „Ein Colt für alle Fälle“. So fing’s an. 1984 kamen dann schon die ersten Def-Jam-Tapes und elek­tronische Musik, da waren für mich diese Musikstile schon alle vereint. Vielleicht bin ich auch deswegen ein musikalischer Freigeist.

„Die erste Platte, die ich gekauft habe, war Lee Majors ‚Unknown Stuntman‘ aus ‚Ein Colt für alle Fälle‘“

Und in Richtung Rock?

Es gab auch die Teenie-Phase, wo ich nur Punk gehört habe. Da kam damals ziemlich heftig die rechte Welle hoch und ich war der einzige Punk unter den ganzen Onkelz und Störkraft-Hörern in meinen zerrissenen Ärzte- und Hosen-Shirts, habe Toxoplasma, Slime, aber gleichzeitig auch Run DMC und Beastie Boys gehört.

Mit „Phoenix aus der Klapse“ treten Sie in Stemwede auf. Bei dem Projekt kollaborieren Sie mit Swiss, von „Swiss & die Andern“. Haben Sie mit ihm Ihren aktuellen Partner in Crime gefunden?

Es gibt schon ein paar Unterschiede, Swiss und ich arbeiten zusammen, befinden uns aber nicht in diesem Bandkontext zueinander …

Ich meinte eher von der Attitüde. Mir scheint hier dieses Freak-Sein wieder aufzuleben …

Stemwede Open Air, 19.–20. 8., „Phoenix aus der Klapse“ spielen am 19. 8. auf der Waldbühne

Das kann man so sagen. Mit dem Unterschied, dass diese Freakness damals, mit F.A.B., Neuland war. Heute haben wir mehr Erfahrung. Wir schauen eher, was man aus verbrannter Erde machen kann.

Was fasziniert Sie an dem Rock-Kosmos?

Ich fühle mich da einfach besser aufgehoben, auch altersgerechter. Klassischer Rap in Deutschland hat etwas Jugendliches. Die ältere Generation hört nur die alten Sachen. Meine früheren Fans hingegen sind aus meiner Musik rausgewachsen. Die Sachen waren dafür auch zu wenig zeitlos und oft zu krass. Ich musste mir also ein neues Publikum erspielen, dabei aber ich selbst bleiben und dem veränderten Lebensstil gerecht werden.