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wortwechselEndlich! Nichts als die nackten Tatsachen!

Nacktheit ohne Scham – gab’s nur im Osten? Zieh dich aus, wo du willst, gilt nicht – gut so? Oder ist unsere Kultur körperfeindlich? Und warum geht es immer nur um „die Brüste“?

Nackte Ansicht: Sommerurlaub Sylt 1964  Foto: imago

„die these: Nackte Widersprüche sind nicht aufzulösen“, taz vom 13./14. 8. 22

Nackt oder „Normal“?

„Öffentliche Nacktheit kann eine Landnahme sein“? So kann man das sehen, wenn man davon ausgeht, dass es die Nackten und die „Normalen“ gibt, und dass die ersten sich den letzteren anpassen sollten. Dass sich Menschen, die Probleme mit Nacktheit haben, durch FKK-Orte verdrängt fühlen, war eigentlich nicht das Ziel der Nackten, sondern ergab sich aus dieser Haltung der „Normalen“. Die sexuelle Konnotation der weiblichen Brust hat sich ja leider immer weiter – überwiegend aus der europäischen Kultur – über die ganze Erde ausgebreitet. In vielen Kulturen gab es diese vor 50 bis 100 Jahren gar nicht. Erst unsere „fortschrittliche“ Zivilisation hat doch dazu geführt, dass die meisten Frauen peinlich darauf achten, dass sich die natürlich Form ihrer Brüste – selbst „perfekter“ Brüste – nicht erkennen lässt. Die Brüste werden für den Sexualpartner reserviert. Gleichzeitig werden sie durch BHs in die ideale, jugendliche, oft ziemlich aufreizende Form gebracht. Auch mir gefallen nicht alle Nackten, die ich an Stränden oder in FKK-Anlagen sehe, aber das ist eben gerade ein wichtiges Prinzip des Naturismus – der Respekt vor der oder dem anderen in ihrem und seinem Anderssein. Eigentlich sind wir ja alle ziemlich ähnlich gebaut, warum also die Angst vor Enthüllung? Mir scheint, viele befürchten, mit ihrem nackten Körper ihr Innerstes zu zeigen.

Hannes Linck, Freiburg/Montalivet

DDR-Nacktbadekultur

Der Artikel hat wirklich viele Situationen ausgelotet, die Nacktbadende und „textilierte BadefreundInnen“ bei diesem Thema in Verlegenheit bringen können. Durchaus nachvollziehbar. Was nicht ins Gespräch gebracht wurde, ist die allgegenwärtige Nacktbadekultur in DDR-Zeiten, die dort vermutlich alle mit der natürlichen Nacktheit menschlicher Körper vertraut gemacht hat – ohne dass heimliche oder offene Laurer(Innen?) oder derartige Fotograf(Innen?) darin einen besonderen Reiz gefunden hätten. Da diese Konfrontation mit dem nackten menschlichen Körper – als gesellschaftsweitem Phänomen – durchgehend seit früher Kindheit erfolgte, ist vorstellbar (und sogar wahrscheinlich), dass ehemalige DDR-BürgerInnen sich über die von Frau Schwab angerissene Thematik eher wundern. So könnte es auch ehemaligen BürgerInnen Jugoslawiens ergehen. Die DDR ist Vergangenheit, jedoch nicht die von daher stammende zivilisatorische Prägung. R. Huber, München

Bei Notfall – alle nackt

Noch verlaufen unsere Fahrraddemos fast ohne Nackt-Proteste. Ich erlebte mal eine Frau in Hamburg, mitradelnd im hauchdünnen engen bunten Einteiler. Ich dachte, die Frau war schon ganz entspannt „weiter“ in ihrer Darstellung, denn Rad­le­r:in­nen sind auch in Deutschland gefährdet. Im bewusstlosen Zustand liegen alle Verletzten dann nackt auf dem Untersuchungstisch. Dabei zählen schwer verletzt keine Schönheitswerte. Aber Schönheitswerte sind eben auch verletzlich und können, unreif bewertet, wehtun.

Jochim Geier, Hamburg

„Die These: Kein Bikini ist auch keine Lösung. Dass Frauen sich oben ohne sonnen dürfen, löst längst nicht alle Probleme. Denn öffentliche Nacktheit kann auch eine Landnahme sein, Vertreibung inklusive“, auf taz.de ab 14. 8. 22

Frei und tolerant?

Ich bin noch in der DDR aufgewachsen und finde, Nacktheit ist etwas ganz normales. Heute befinden wir uns in einer verklemmten, gehemmten Gesellschaft, in der nur genormte menschliche Körper sichtbar sein dürfen. Religiöse Befindlichkeiten verschärfen den Trend noch. Persönlich ist mir die nackte Oma am Strand lieber als eine vollständig verhüllte, durchnässte junge Frau. Von einer freien, toleranten Gesellschaft erwarte ich aber, dass ein jeder sich zeigen kann, wie er möchte. Jörg Radestock auf taz.de

Ich habe mich als Kind in den 70ern beim FKK immer unwohl gefühlt. Das war hauptsächlich bei den Besuchen der DDR-Verwandtschaft. Ostseestrand im Sommer. Zu Hause in Westberlin gab es eigentlich immer eine Textilbedeckung. Wie hätte man auch sonst mit seinen Schwimmabzeichenaufnähern angeben können? Mustardmaster auf taz.de

Das Problem liegt doch nicht bei denen, die sich nicht bedecken, sondern bei denen, die hingucken, obwohl sie es (angeblich) nicht sehen wollen.

Freundlicher auf taz.de

Mir gefällt so viel Geschmackloses, Unästhetisches und Privates nicht, was ich jeden Tag sehen muss. Da kommt’s auf ein paar unästhetische Oberkörper, gleich welchen Geschlechts, auch nicht mehr an. Deep South auf taz.de

Dass Nacktheit so sehr sexualisiert wird, hängt doch ganz stark damit zusammen, dass sie kaum noch in anderen Kontexten vorkommt. Themrocx auf taz.de

Backlash statt Offenheit?

Mich macht dieser Backlash auch traurig. Damals war oben ohne Befreiung von der Beengung, die Frauen aufoktroyiert wurde, siehe auch BH-Verbrennungen. Heute stört man sich an einer nackten Männerbrust – zumindest wenn diese nicht jung ist. Resto auf taz.de

Über den Artikel in seiner „Art des Schreibens“ sage ich gerne: Sehr gelungen. Da ist eine mit Taktgefühl ausgestattete Offenheit. Vom eigenen Sinn des Wahrgenommenen sprechen, ein couragiert vorgetragener Eigensinn. Moon auf taz.de

Das Problem ist: man kann den Spieß jederzeit umdrehen. Wer als Lebensgefühl Nacktheit will oder braucht, könnte nämlich sagen, dass es rücksichtslos ist, das zu verbieten. Grummelpummel auf taz.de

Oben ohne? Damit ich öfter ungefragt mit dem Smartphone fotografiert werde? Und wenn du einen von diesen Kerlen ansprichst, dann lacht er dich aus und nennt dich eine … Und die Aufsicht? Gegen Gruppen von jungen Männern unternehmen die nichts. So landest du dann irgendwie im Internet. Vanessa M. auf taz.de

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