brief des tages
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Corona gibt’s gratis dazu

„9-Euro-Ticket: Nachfolge gesucht“, taz vom 23. 7. 22

Das allseitig gelobte 9-Euro-Ticket und dessen Fortsetzung übersieht die Notwendigkeit und den Zwang, dass am Ende irgendjemand die Kosten zu tragen hat. Hilfreich in der gegenwärtigen Diskussion ist sicher die gewonnene Erkenntnis, dass für bestimmte Gruppen der Gesellschaft ohne eigenes Einkommen ein angedachtes Jahresticket eingeführt werden müsste. Aber für alle anderen Teile der Gesellschaft ebenso? Fördern diese Ideen nicht die allseits bekannte Geiz-ist-geil-Mentalität, da die Menschen den Wert und damit den Preis einer genutzten Leistung vollkommen aus dem Blick verlieren? Als Nutzer der gegenwärtigen Möglichkeiten ist es schon eine Herausforderung, eine Fahrt im Nahverkehrszug wegen häufiger Überfüllung über zwei Stunden stehend in Anspruch zu nehmen. Wohlgemerkt, dieser Einwand ist keine Reklamation – wer nichts bezahlt, kann auch keine Leistung einfordern. Aber der Appell, Abstand zu halten, ist an Absurdität nicht zu überbieten – die Wahrscheinlichkeit der Verbreitung von Corona wird deutlich erhöht. Das scheint für Politik und Gesellschaft vollkommen uninteressant geworden zu sein. Anton Krapf, Bietigheim