piwik no script img

Humus aus der Wurmkiste

Wer keinen Garten oder einen Balkon hat, kann die eigenen Bioabfälle auch in einer Wurmbox in der Wohnung entsorgen. Dann entsteht fruchtbarer Humus

Von Henrike Notka

Die Bretter aus Birkenholz verbergen den Blick auf die Würmer. 30 mal 30 Zentimeter misst die unscheinbare Box, die Jonathan Trinh-Bomme vor sich stehen hat. Darin läuft der Kompostierungsprozess ab: Würmer und Mikroorganismen wandeln die häuslichen Bioabfälle zu feinstem Humus um. Klappe auf, Kompost rein und schwarzes Gold kommt raus. So das Prinzip. Mit der Wurmkiste können auch Städ­te­r:in­nen ohne Garten oder gar ohne ­Balkon ihre Bioabfälle sinnvoll nutzen – und Müll vermeiden.

Hergestellt werden die Wurmkisten in schickem Design vom Hamburger Start-up-Unternehmen Terrabox, dessen Inhaber Trinh-Bomme ist. Die Idee dazu hatte er im März 2020 – es wurde zu seinem Coronaprojekt. Aufgrund der unfreiwilligen Kurzarbeit und da in einigen Bezirken Hamburgs kein Platz für Biomülltonnen ist, wollte er nicht nur seine freie Zeit sinnvoll füllen, sondern auch dem Abfallproblem entgegenwirken: „Bioabfälle in der Restmülltonne sind schließlich Verschwendung.“ Aber natürlich ersetzt eine Wurmkiste die Restmülltonne nicht. Sie ist vielmehr eine Ergänzung.

Abgeschaut hat er sich das Prinzip der Wurmkiste bei Zero Waste Austria, einem gemeinnützigen Verein aus Österreich. Der erste Nachbau für den eigenen Balkon war schnell gebaut, und so sammelte er den Sommer über erste Erfahrungen damit. Im Winter wurde die Wurmkiste aufgrund der Größe dann aber zum Problem, denn in der Wohnung nahm sie zu viel Platz weg. Auf dem Balkon konnte sie nicht bleiben, weil sich Würmer bei Temperaturen von 5 bis 25 Grad am wohlsten fühlen. So baute er ein kleineres Format, das in einer durchschnittlichen Hamburger 60-Quadratmeter-Wohnung immer einen Platz findet. Damit war Prototyp Nummer eins geboren.

Zusammen mit seinem Partner, der Tischlermeister ist, hat sich Trinh-Bomme in einer Tischlerei in Dollern im Alten Land eingemietet. Dort helfen ihm regelmäßig seine Großeltern und Eltern – ein kleiner Touch Familienunternehmen. Einrichten der Website und Vermarktung kann er aufgrund seiner Vorerfahrung im Start-up- und Programmierbereich selbst übernehmen. Die Würmer kauft er bei einer Wurmzucht in Geesthacht. „Local worms“ also.

Ist die Box erst einmal fertig, können die Würmer einziehen. Für 350 ist Platz. Sie werden in kleinen Säcken in Erde geliefert und müssen sich zu Beginn akklimatisieren. Danach kann der Kompost hinzugegeben werden. Die Reste einer Paprika zum Beispiel sind nach knapp vier Tagen verschwunden. Zitrusfrüchte mögen die Würmer allerdings nicht, denn die sind nicht nur ihnen zu sauer. Ansonsten gestaltet sich die Pflege simpel: Bei wohliger Temperatur und geschützt vor direkter Sonneneinstrahlung kann die Wurmkommune auch mal drei Wochen ohne Müllnachschub auskommen.

Durch eine Glasscheibe, die sich hinter dem mobilen Seitenteil verbirgt, ist es den stolzen Hob­by­kom­pos­te­r:innen möglich, den Würmern bei der Arbeit zuzuschauen. Ein nahbares Erlebnis ganz ohne Gestank, denn der Geruch in der Kiste erinnert vielmehr an Waldboden.

Damit war das perfekte Lifestyle-Produkt geboren, um „Kompost wieder sexy zu machen.“ Für Trinh-Bomme einer der ausschlaggebendsten Beweggründe, die Wurmkisten zu bauen. Dadurch ist es ihm möglich, Menschen dazu zu bewegen, sich aktiv mit dem natürlichen Prozess des Kompostierens auseinanderzusetzen und die eigene Beziehung zur Umwelt zu hinterfragen. Unsere Lebensmittel und Böden würden zunehmend durch kommerzielle Herstellung zerstört und eigens hergestellter Humus sei ein erster, kleiner Schritt gegenzulenken.

Der Humus kann dann direkt für die eigenen Zimmerpflanzen als Dünger genutzt werden – egal ob in fester Form oder verdünnt mit Wasser. Damit wird der Biodünger aus dem Baumarkt überflüssig, dessen Herstellung mit einem hochenergetischen Prozess verbunden ist und den Nährstoffbedarf von Pflanzen nur einseitig deckt. Der Humus der Würmer ist ein vielseitiger Dünger und absorbiert nebenbei CO2 aus der Luft.

Allerdings baut nicht nur Trinh-Bomme Wurmkisten in Hamburg. Bei Nutzmüll e. V. gibt es die Kisten in doppelter Größe und für den kleineren Geldbeutel aus einem sozial ausgerichteten Betrieb. Das könnte vor allem für diejenigen interessant sein, die auf aufwendiges Design verzichten können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen