: Nationale suchen neue politische Heimat
Sie hätten die WASG längst unterwandert, prahlt NPD-Chef Voigt. Zum Wahlkampfbeginn gibt er sich offen für alle: Er paktiert mit der DVU und buhlt um Wähler der Linkspartei. Ihnen gemein sei „der große Bauchschmerz Überfremdung“
CHEMNITZ taz ■ Die rechtsextreme NPD hat angeblich längst Anhänger in die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) geschleust. „Wir müssten ja Tinte gesoffen haben, wenn wir das nicht täten“, sagte der NPD-Bundesvorsitzend Udo Voigt am Rande des Nominierungsparteitags der sächsischen NPD für die Bundestagswahl in Chemnitz-Grüna. Der entsprechende Internet-Aufruf seines persönlichen Referenten Thomas Wulff sei ein „Testballon“ gewesen.
„Wenn eine neue Partei die soziale Frage stellt, muss die NPD dabei sein“, hatte Voigt bereits in seiner offiziellen Parteitagsansprache verkündet. Es gebe an der Basis viele Übereinstimmungen zwischen Anhängern des Linksbündnisses und der NPD, so den „großen Bauchschmerz Überfremdung“. Die NPD-Leute sollten in der WASG eine Positionierung zu der Frage provozieren, ob man eine „deutsche Volksgemeinschaft“ oder eine Multikultigesellschaft wünsche. Attacken auf die linken Konkurrenten hielten Voigt nicht ab, Gregor Gysi und Oskar Lafontaine eine gemeinsame Volksfront anzubieten. „Künftig darf es kein Gegeneinander von rechts und links mehr geben, sondern nur noch ein Volksbündnis.“
Der erste von 16 Sonderparteitagen in den Bundesländern diente nur vordergründig der Nominierung der Spitzen der sächsischen Landesliste. Ohne Diskussion wählten die 61 Deligierten Landtagsfraktionschef Holger Apfel, den früheren „Republikaner“-Generalsekretär und Publizist Harald Neubauer und den sächsische Landesvorsitzende Winfried Petzold auf die ersten drei Plätze.
NPD-Bundeswahlkampfleiter Peter Marx erklärte den vergangenen Sonnabend auch ausdrücklich zum Auftakt des Bundestagswahlkampfs. Noch einmal kündigte er 200.000 nationalistische Schulhof-CDs an, mit denen vor allem Erstwähler erreicht werden sollen. Zum Auftakt der Fußballsaison soll vor den Stadien eine ähnliche CD verteilt werden. Die Teilnahme an Fernsehdiskussionen will man gerichtlich erzwingen. „Dann wären 10 Prozent der Zweitstimmen auch locker zu erreichen“, so Marx. Parteichef Voigt präsentierte ein Plakat mit einem Zitat des türkischen Staatsgründers Kemal Atatürk: „Türken wohnen in der Türkei.“
Der sächsische Landesvorsitzende Petzold räumte ein, dass die vorgezogene Wahl die NPD insbesondere finanziell „kalt erwischt“ habe. Laut Parteichef Udo Voigt verzeichnet die NPD aber trotz der Wahlniederlagen in Schleswig-Holstein und NRW wöchentlich 150 Neueintritte.
Gefeiert wurde in Chemnitz auch der „Deutschland-Pakt“ mit der DVU, dem sich Teile der „Republikaner“ und der Deutschen Partei (DP) angeschlossen haben. DP-Bundesvorsitzender Ulrich Petzold wurde als Gast begrüßt. DVU-Chef Gerhard Frey erklärte den „Bruderkrieg“ für beendet, verlangte 500 Euro Kindergeld für jeden deutschen Sprössling und erntete stehend Rufe: „Hoch die nationale Solidarität!“
Starken Applaus erhielt auch die Forderung des NPD-Landesverbands, für Kinderschänder und -mörder wieder die Todesstrafe einzuführen.
MICHAEL BARTSCH