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Schüsse auf die Parade

In den USA sterben sechs Menschen bei einem Anschlag auf einen Festumzug zum „Fourth of July“. Der Schütze hatte zuvor gewaltverherrlichende Inhalte online gestellt

Von Jana Lapper und Lisa Schneider

Mindestens sechs Menschen sind tot. Rund zwei Dutzend – darunter mehrere Kinder – wurden verletzt. Unter den Toten soll auch eine Lehrerin einer örtlichen Synagoge sein sowie ein 76-jähriger Großvater.

Am Straßenrand reihen sich Campingstühle an Kühlboxen an Kinderwägen und Fahrräder. Sie erinnern daran, was am vierten Juli in Highland Park, nahe dem US-amerikanischen Chicago, eigentlich geplant war: eine Parade zum Unabhängigkeitsfeiertag, dem „Fourth of July“. Doch Schüsse vom Dach eines nahen Geschäftshauses mit einem „leistungsstarken Gewehr“, wie die Polizei mitteilte, beendeten bereits kurz nach Beginn des Festumzugs die feierliche Stimmung.

Etwa acht Stunden nach dem Anschlag konnte die Polizei den mutmaßlichen Täter nach einer kurzen Verfolgungsjagd festnehmen: Robert C. Sein Alter wurde zunächst mit 22 Jahren angegeben, später auf 21 korrigiert. Der Nachrichtensender NBC News berichtete, er habe anhand von am Tatort zurückgelassenen DNA-Spuren identifiziert werden können.

C. versuchte sich unter dem Künstlernamen „Awake the Rapper“ als solcher, war auch auf Youtube aktiv. In einem seiner Musikvideos ist eine gezeichnete Figur zu sehen, die mit einem Gewehr auf Menschen zielt und schießt. „Ich muss es einfach tun“, sagt eine Off-Stimme über der Instrumentalmusik. „Es ist mein Schicksal. (…) Nichts kann mich aufhalten, nicht einmal ich selbst.“ Seine Konten wurden mittlerweile gesperrt.

In den sozialen Medien ist eine heftige Debatte über die politische Zugehörigkeit des Schützen entbrannt. Mehrere Bilder sollen ihn auf einer Pro-Trump-Rallye zeigen, andere eingehüllt in eine Trump-Fahne. Ex-Präsident Donald Trump steht derzeit im Verdacht, die gewaltvolle Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021 befürwortet oder zumindest nicht verhindert zu haben. Andere behaupten, C. sei „Antifa“-Anhänger gewesen – in den USA ein Kampfbegriff.

Ein weiterer Twitter-Nutzer, der angab, den Schützen zu kennen und entsprechende Screenshots postete, schrieb, er sei „ein isolierter Kiffer“, der den Bezug zur Realität „vollkommen verloren“ habe.

In den USA hatte es in den vergangenen Wochen eine Serie blutiger Angriffe mit Schusswaffen gegeben. Anfang Juni erschoss ein Mann vier Menschen in Tulsa, Oklahoma. Mitte Mai tötete ein 18-Jähriger an einer Grundschule der texanischen Kleinstadt Uvalde 19 Kinder und zwei Lehrerinnen. Zehn Tage zuvor hatte ein 18-Jähriger in und vor einem Supermarkt in Buffalo im Bundesstaat New York aus rassistischen Motiven zehn Menschen erschossen.

Präsident Joe Biden äußerte sich kurz nach der Tat in Chicago auf Twitter „schockiert von der sinnlosen Waffengewalt“.

Kürzlich hatte der Senat eine leichte Verschärfung des Waffengesetzes gebilligt – ein Minimalkonses zwischen Demokraten und Republikanern. Dieser sieht vor, dass Waf­fen­käu­fe­r*in­nen unter 21 Jahren genauer überprüft werden sollen oder Schulen mehr Geld für Sicherheit bekommen.

Doch erst einen Tag zuvor hatte das Oberste Gericht der USA das Tragen von Schusswaffen in der Öffentlichkeit als Grundrecht eingestuft – ein Schritt vor, ein Schritt zurück.

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