EM-KOLUMNE : Ohne Pelzjacke ins Stadion
FRANCISCO ASSUNCAO
Mit der WM 1966 wurde Fußball richtig groß in Portugal. Früher war Rollerhockey der Volkssport – aber das ist jetzt verstaubt, und international interessiert das sowieso niemanden. 1966 war die erste große Fernsehübertragung, Portugal lief mit einer großartigen Mannschaft auf, machte den dritten Platz, Eusébio wurde Torschützenkönig. Seitdem steht fest: Die Portugiesen sind fußballverrückt. Wenn man in Portugal nichts von Fußball versteht, ist man verloren.
Wo sonst gibt es drei täglich erscheinende Sportzeitungen, die sich besser verkaufen als die „normalen“? Anders als in Deutschland ist es in Portugal üblich, dass man nicht nur Fan eines Vereins ist, sondern auch Mitglied. Benfica Lissabon rühmt sich als größter Club Europas. Vor Barcelona!
Zu ihrer Nationalmannschaft hatten die Portugiesen immer ein ambivalentes Verhältnis. Sie spielt zwar schön, aber auf den letzten 20 Metern kriegen sie oft nichts auf die Reihe. Ausgerechnet ein Brasilianer hat dann das Verhältnis zur Nationalmannschaft verbessert. Der Trainer Scolari forderte 2004 die Leute auf, Fahnen an den Fenstern aufzuhängen und Autokorsos zu machen. Er schaffte es, Begeisterung zu entwickeln und hat das Team zu einer Mannschaft des Volks gemacht, die dann im EM-Finale im eigenen Land stand.
Ich habe früher für die Junioren von Sporting gespielt, war aber kein großartiger Spieler. 14 Jahre habe ich für A Bola, die größte Sportzeitung, berichtet und war dafür in ganz Europa unterwegs. Besonders erinnere ich mich an ein Interview mit Berti Vogts und das WM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland 1997 in Berlin. 1:1 ging es aus, Portugal hätte einen Sieg gebraucht und qualifizierte sich nicht. Das war hart. In Deutschland ist Fußball allein schon wegen des Klimas eine andere Sache. In Portugal braucht man im Stadion nie eine Pelzjacke.
Bei der EM hängt vieles davon ab, ob Portugal seine Verteidigung verbessert, und vor allem, ob Ronaldo ein großes Spiel macht. Die Mannschaft hängt von ihm ab, auch wenn oft das Gegenteil behauptet wird. Ronaldo ist für die Portugiesen ein Held, er kann viel mehr als die anderen Spieler. Die Leute ärgern sich aber, dass er wie ein Filmstar auftritt.
Manche machen aus dem Fußball ein Politikum und wollen, dass er Antrieb schafft in Krisenzeiten. Natürlich freuen sich die Leute, wenn es etwas zu feiern gibt. Aber dass es weitere Auswirkungen hat, ist Humbug. Dass es heute etwas zu feiern gibt, glaube ich sowieso nicht. Mein Tipp: 2:1 für Deutschland.
■ In der EM-Kolumne „15 Freunde“ schreiben Berlin-Korrespondenten über ihre Fußballnation. Francisco Assuncao arbeitet bei der portugiesischen Nachrichtenagentur Lusa