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Federleichtes Koks der Lüfte

Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (146): Eiderenten sitzen auf daunenweichen Reichtümern

Von Helmut Höge

Der englische Finanzanalyst Edward Posnett hatte eine gute Idee, die ihn bewog, ein Naturanalyst zu werden. Er saß im Londoner Finanzzentrum Canary Wharf in den ehemaligen Docklands, dem Umschlagplatz für die Rohstoffe aus den Kolonien, und beschäftigte sich mit Zahlen voller versteckter Bedeutungen – über „Millionen-Dollar-Ölgeschäfte in Afrika, Skandale um kriminelle Wertpapiergeschäfte, Bestechungsvorwürfe im nordamerikanischen Baugewerbe …“

In der Mittagspause dachte er über die Waren nach, die dort einst angelandet wurden: „Elfenbein, Zuckerrohr, Baumwolle, Tierfelle“ – und über den „Prozess der Kommerzialisierung der Natur“. Diese Ausbeutung, die quasi naturgemäß mit der Ausrottung vieler Arten einherging und -geht, heute sogar forciert, ließ in ihm den Gedanken aufkommen: Gibt es auch eine Kommerzialisierung der Natur ohne Ausbeutung?

Weil er als Finanzanalyst genug Geld verdient hatte, machte er sich auf die Suche. Dabei studierte er zunächst auf Island die Ernte von Eiderdaunen. Sie stammen vom Brustgefieder der Eiderenten, dienen zur Auspolsterung ihrer Nester und werden von den Menschen wegen ihrer Eigenschaft, besonders weich zu sein und gut zu wärmen, hochgeschätzt.

Über die letzten 350 isländischen Eiderentenbauern veröffentlichte er 2015 einen Bericht, dem 2020 ein Buch mit dem schönen Titel „Die Kunst der Ernte“ folgte: „Sieben kleine Naturwunder und ihre Geschichten“. Er ging dazu in Asien den Waren Essbare Vogelnester und Katzenkaffee, auf Sardinien Muschelseide, in Südamerika der Vikunjafaser, den Tagua(-Nüssen) und dem Guano(-Dünger) auf den Grund. Auch den Eiderdaunen widmete er sich in dem Buch noch einmal – in kulturhistorischer Absicht, aber auch mit Sympathie für seine sieben „Gegenstände“, die bis auf die Früchte der Tagua-Palme alle von Tieren stammen, denn es ging ihm dabei ja um eine nichtausbeuterische, nichtzerstörerische Verwertung von Rohstoffen/Ressourcen. Bei den Eiderdaunen kam Posnett dem am nächsten.

Die Eiderenten brüten an den abgelegenen Westfjorden Islands auf den Ländereien der Eiderbauern und manchmal sogar in ihrem Haus. Die Bauern warten – so will es die Etikette –, bis die Eiderenten-Jungen ihre Nester verlassen haben. Dann sammeln sie die Daunen darin ein. Für ein Kilo müssen sie sechzig Nester leeren, die Daunen werden von ihnen getrocknet und gereinigt, um Schmutz und Seetang zu entfernen – und dann an einen „Zwischenhändler“ verkauft.

Ein evangelisch-lutherischer Pastor verglich die Eiderdaunen mit dem Kokain aus den Anden: „Wir [die Daunensammler] bekommen nur einen Bruchteil des Preises, den das Produkt dann kostet, wenn es auf die Straßen Tokios gelangt.“ Tatsächlich bekommen die Eiderbauern einen niedrigeren Prozentsatz vom Einzelhandelspreis als ein afrikanischer Kaffeebauer, erfuhr Posnett von einem isländischen Geschäftsmann. Was von außen betrachtet wie ein nettes, kleines, nostalgisch-friedliches Gewerbe wirke, sei „in Wirklichkeit ein Krake aus Monopol und Manipulation“.

Desungeachtet sind „Umweltschützer, Ökonomen und Ornithologen“ laut Posnett „von der isländischen Daunenernte begeistert. Die Beziehung zwischen den Menschen, die die Daunen ernten, und den Eiderenten ist von unwiderstehlicher Schlichtheit: Kümmert sich ein Mensch um diese Tauchenten, kommen immer mehr Enten zum Nisten und erhöhen somit die Daunenmenge, die ihr menschlicher Beschützer einsammeln kann.“

Auf der abgelegenen Insel Vigur erfuhr der Autor, dass die Bauern dort oft und gern alle möglichen Seevögel (unter anderem Papageientaucher) jagen und essen, aber Eiderenten sind tabu: „Sie machen mehr als ein Drittel des Familieneinkommens aus“. Wenn die Inselbewohner Seemöwen erlegen, schützen sie damit gleichzeitig auch die Gelege der Eiderenten. Posnett erfuhr von einem Eiderbauern, dass die Norweger einst ebenfalls entlang ihrer Küste Eiderdaunen „geerntet“ hätten, „aber mit der Entdeckung des Erdöls in der Nordsee begannen die Menschen sich aus abgelegenen Küstengebieten zurückzuziehen. Die Eiderenten wollten mit, weil sie sich von den Menschen beschützt fühlten. Sie wollten lieber mit Katzen und Hunden zusammenleben als mit Seemöwen.“

Auf Island wollen sie mit den Daunensammlern zusammenleben, die über eine „ans Mystische grenzende Fähigkeit verfügen, die Enten zu verstehen“, wie der britische Autor Gavin Maxwell schrieb, den Posnett zitiert.

Bei einem pensionierten Mathematiklehrer, der einst der größte Eiderdaunenproduzent Islands gewesen war, kam er dahinter, was der „Preis“ der Natur für dieses nachhaltig produzierte Naturprodukt ist: Die brütenden Eiderenten werden von den Eiderbauern vor allem gegen Füchse geschützt, indem sie diese erbarmungslos verfolgen. Der Mathematiklehrer rekrutiert jedes Jahr im Frühling eine „Privatarmee aus Eiderdaunenbauern. Gemäß seinen schriftlichen Anordnungen fahren sie, bewaffnet mit Gewehren und Walkie-Talkies, in ihren Autos los, um Füchse zu jagen.“ Ohne Füchse „wäre die Eiderdaunenernte so prosaisch wie das Einkassieren der Miete“.

Über die Jagd auf Eiderenten schreibt das Forum deerhunter.eu: Es gibt sie an den Küsten rund um den Nordpol in Nordamerika, Asien und Europa. Die globale Zahl ist nicht bekannt, aber man geht von Millionen aus, und viele Vögel des europäischen Bestands ziehen an Dänemark vorbei. Es ist nicht ungewöhnlich, dass 50.000 Eiderenten an einem einzigen Tag im Südosten Dänemarks vorbeifliegen.

In den vergangenen Jahren jedoch hatte es der Bestand schwer. Für die Gründe gibt es laut deerhunter mehrere Theorien. Eine besagt, dass es weniger Miesmuscheln gibt, die die wichtigste Nahrungsquelle der Eiderenten bilden.

Schätzungen gehen davon aus, dass es in den dreißiger Jahren nur etwa 1.500 Brutpaare in Dänemark gab, und diese Zahl stieg auf mehr als 25.000 Brutpaare in den neunziger Jahren. „Daher ist der stagnierende und vielleicht sogar rückläufige Bestand vermutlich Ausdruck dafür, dass wir uns einem natürlichen Bestand nähern.“

Weiter heißt es: „Die klassische Jagd auf Eiderenten findet auf dem Meer statt. Das heißt, Jagd von einem Boot mit einem Motor, mit dem man näher an die Eiderenten-Schwärme heranfährt, sodass man in Schussweite ist, wenn die Vögel abstreichen. Da Eiderenten sehr schusshart sind, muss man zur Schussabgabe nah genug sein. Zu weit abgegebene Schüsse sollten vermieden werden, da ein angebleiter Vogel sehr lange taucht. Die Kleidung muß warm und wasserdicht sein.“ Die dazu passende Eiderdaunenjacke von Moncler kostet 4.900 Euro.

Eine „schlimme Nachricht für Anhänger der Theorie, dass ohne Jagd die Artenvielfalt profitiert,“ meldete schließlich natuerlich-jagd.de: In Schweden tötete ein Schwan fast alle jungen Eiderenten, die auf der Insel Stora Karlsö brüteten. Er soll nun erschossen werden.

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