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Archiv-Artikel

Warmer Walking Bass

Zwei Monate nach seinem Tod ist das letzte Album des Jazzbassisten Jimmy Woode erschienen, der in Helge Schneiders Film „Jazzclub“ den Jazz, Jazz, Jazz beschwor

Jazz ist Lebensweise und wie das richtige Leben unmittelbar und energetisch, frei und nicht normierbar

„One day“ oder auch und vor allem: „Jazz, Jazz, Jazz.“ Wie Mantren klingen die Worte, die der Bassist Steinberg in Helge Schneiders Film „Jazzclub“ spricht. Durch sie spendet er sich und seinen beiden Leidensgenossen Trost und Zuversicht. Und das benötigen die verarmten Jazzmusiker schließlich mehr als alles andere, um überhaupt weitermachen zu können.

Zugleich swingt in den Worten – bei aller filmischen Überspitzung und Groteske um sie herum – aber auch jene Magie des Jazz mit, die über die Notgemeinschaft der drei hinaus verweist. Dort wird Jazz zu mehr als Musik, wird Ausdruck des Lebens an sich, an dem jeder, Musiker wie Rezipient, beteiligt ist. Jazz ist dann auch Lebensweise und wie das richtige Leben unmittelbar und energetisch, frei und nicht normierbar.

Jimmy Woode, der den Steinberg in „Jazzclub“ darstellte, hat Jazz gelebt. Vor zwei Monaten starb der 1929 geborene US-Amerikaner. Ein außerordentliches Musikerleben ging damit zu Ende. Bereits mit Anfang zwanzig verdingte sich der ausgebildete Pianist als Kontrabassspieler an der Seite von Zoot Sims, Toots Thielemans sowie Ella Fitzgerald. 1953 begleitete er noch Charlie Parker und Billy Holliday und stieß schließlich 1955 zum Duke Ellington Orchestra. Dort blieb Woode genau „fünf Jahre, vier Monate, zwei Wochen und zwei Tage – die wichtigste Zeit meines Lebens“.

1960 verließ er dann die USA, um sich, wie so viele seiner afroamerikanischen Jazzkollegen, dauerhaft in Europa niederzulassen. Stockholm, Köln, Amsterdam und vor allem die Schweiz wurden seine neue Heimat, bis er 2001 nach Boston zurückkehrte. In Europa arbeitete er in Dutzenden von Bands und Projekten als hoch geschätzter Kontrabassist, dem aufgrund seiner Bescheidenheit aber der verdiente Ruhm verwehrt blieb. Vielleicht mag Helge Schneiders „Jazzclub“ daran ein kleines bisschen etwas geändert haben.

Eine Art Abschiedsgruß hinterließ Woode indessen mit seinen letzten Aufnahmen, die dieser Tage unter dem Titel „My Kind Of World“ erscheinen. Es muss wohl eine Laune des Schicksals gewesen sein, die ihn, sonst Sideman, hierbei zum Hauptakteur werden ließ. Gemeinsam mit Saxofonist Stephan Abel spielte er im Februar nämlich Duo-Aufnahmen ein. Und so erscheint „My Kind Of World“ regelrecht wie ein Vermächtnis. Klar und schön klingt dabei Woodes (und Abels) Definition von Jazz. Songauswahl und Genreauffassung, aufgrund von Woodes Verankerung in Bop und Postbop, sind zwar traditionell. Allein, bei Woode und dem einfühlsamen Adepten Abel wirkt das mitnichten verstaubt. Ganz im Gegenteil, alles atmet, groovt, swingt: Woodes warmer Walking Bass, die bluesigen Soli und der nonchalante Gesang ebenso wie Abels relaxtes Tenorspiel zwischen Boplines und großer Geste. Ja, es ist ein (für die Besetzung Saxofon/Bass erstaunlich kurzweiliges) Album der Reminiszenz an jene große Ära des Jazz, die dieser Bassist miterlebte und mitgestaltete.

Daher erinnert es auch an das, was Jazz ist: eben mehr als ein Versprechen. „My kind of world is full of kindness and care, my race is the human one, and my place is right here.“ Wie Helge Schneider in „Jazzclub“ möchte man Woode/Steinberg ein letztes Mal bitten: „Sag’s noch einmal.“ – „Jazz, Jazz, Jazz!“

GERD BAUDER

Stephan Abel & Jimmy Woode. „My Kind Of World“ (JazzSick Records/Edel)