piwik no script img

Archiv-Artikel

Der Radfahrer als Konjunkturmaschine

TOURISMUS Radler setzen jährlich 9,2 Milliarden Euro in Deutschland um. Kritik gibt es am Bahn-Service

„Die klimatischen Veränderungen werden die Deutsche verstärkt aufs Rad treiben“

VON ANNA MAUERSBERGER

BERLIN taz | Der deutsche Fahrradtourismus steht vor einer rosigen Zukunft. So lautet das Fazit der ersten Grundlagenstudie zum Fahrradtourismus, die der Deutsche Tourismusverband (DTV) und das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin vorstellten. Umsätze von 9,2 Milliarden Euro im Jahr seien Radlern in Deutschland zuzuschreiben, erläutert Ernst Hinsken, Beauftragter der Bundesregierung für Tourismus: „Das Geschäft mit den Radlern wird sich auch in Zukunft auszahlen.“ Der Fahrradtourismus profitiere nämlich nicht nur von der Finanzkrise, in der die Menschen ihren Urlaub lieber im eigenen Land verbringen. Hinsken: „Auch die klimatischen Veränderungen und der demografische Wandel wird die Deutschen verstärkt aufs Rad treiben.“

Das nämlich ist der Prototyp des deutschen Radurlaubers: 45,7 Jahre alt, kulturell aktiv, meist mit Partner oder Partnerin reisend, bevorzugt durch Flusslandschaften. Manfred Zeiger vom Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Institut für Fremdenverkehr (dwif): „22 Millionen Übernachtungen zähle die Branche im Jahr, dabei greife der Radler mit 65 Euro pro Kopf und Tag durchaus gern in die Tasche.“ So sei der Lebensunterhalt von 186.000 Beschäftigten in Deutschland heute unmittelbar auf den Fahrradtourismus zurückzuführen: Das Geschäft mit der rollenden Muskelkraft mache 7 Prozent der gesamtdeutschen Tourismusbilanz aus, so Zeiger. Für manche Regionen sei es aber überlebenswichtig geworden. In Brandenburg beispielsweise haben sich 20,6 Prozent aller gewerblicher Betriebe Bett und Bike gewidmet.

Das Potenzial des Fahrradtourismus haben inzwischen auch andere Regionen erkannt: 77 Prozent der Befragten messen dem Radfahren eine große bis sehr große Bedeutung zu, 90 Prozent wollen ihr Angebot für Radler weiter ausbauen. „Vor allem das kulinarische Angebot auf weniger befahrenen Strecken muss besser werden“, sagt Marcel Wüst, ehemaliger Radrennprofi. Das größere Problem sei für Fahrradfans aber die Deutsche Bahn, da auf ICE-Strecken die Fahrradmitnahme verboten sei. „Die Bahn muss sich dringend stärker mit dem Tourismus vernetzen“, fordert Wüst – erst dann stehe dem wahren Erfolg des Radtourismus wirklich nichts mehr im Wege.